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Es ist bemerkenswert, daß in der Verbindung von Wort und Ton

stets das Wort den Sinn angibt, die Musik dagegen am meisten her-

vortritt. Umgekehrt: erhebt die Musik den einfachen Gedanken zu

einer göttlichen Wahrheit.

Zum Verständnisse der Tonkunst in ihrer Eigenart kommt noch

außer dem Gesagten der Fortschreitungsgang, das ist die E n t -

f a l t u n g , welche das Tonkunstwerk selbst in der Zeit nimmt

(man denke da nur an die Beethovenschen Symphonien). Da sich

der menschliche Geist selbst in der Zeit entfaltet, ist die Zeitgestalt

des Fortschreitungsganges in den Werken der Tonkunst fähig, zu-

gleich unmittelbar Organ des Geistes zu werden.

Die Tonkunst drückt nicht nur den inneren Gehalt der Einge-

bung, sondern auch des Fortschreitungsganges derselben im Zusam-

menhang des Geistes- und Seelenlebens aus. Darin liegt ganz beson-

ders der Wert der umfassenden Tonwerke wie der Opern, Passio-

nen einerseits, der Symphonien, Sonaten, Suiten und ähnlicher For-

men andererseits.

Die Unterarten der Tonkunst kann man dem Gesagten zufolge abermals nach

dem Geistesgehalte unterscheiden:

(1)

die mit der Dichtung verbundene Tonkunst, nämlich die Oper, die Passion,

das Singspiel, das Oratorium, die heilige Musik überhaupt, das Lied; dazu die

Musik von Tanzfolgen und die einzelnen Tänze;

(2)

die sogenannte reine Musik, bei welcher keine Verbindung mit der Dicht-

kunst stattfindet, nämlich die Symphonie, das Konzert, die Phantasie, die Sonate,

das Impromptu und ähnliche freiere Formen; obzwar auch hier in den Scherzo-

und anderen Sätzen eine Verbindung mit dem Tanze, wenn auch nur in ideeller

Weise vorliegt.

(3)

Außer der Verbindung der Musik mit der Dichtung kommt auch noch ihre

Verbindung mit der Baukunst in Frage. Ob eine Musik in der Kirche, in einem

feierlichen, gehobenen Raume oder in einem gemütleeren, durch zeitgenössische

Baukunst verrohten oder krankhaft anmutenden Raume stattfindet, ist keineswegs

gleichgültig. Allerdings vermag hier die Musik keine so unmittelbaren Verbindun-

gen mit den anderen Künsten einzugehen wie mit der Dichtung.

C. Die b i l d e n d e n K ü n s t e

Als diese faßt man von altersher zusammen die M a l e r e i ,

B i l d n e r e i u n d B a u k u n s t (von der schönen Gartenkunst

und der Tanzkunst sprechen wir später). Die Ausdrucksmittel der

bildenden Künste stehen zwar unter der Herrschaft des Auges, in-