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dem Farbe, Licht, Zeichnung, Raumgebilde und Werkstoff im

Vordergrunde sind; aber auch die anderen Sinne spielen eine große

Rolle. Im Hinblicke auf die Werkstoffe, so die Leinwand, die

Bronze, das Holz, den Marmor, die Metalle tritt der Tastsinn

neben das Bild, welches die Augen vermitteln; im Hinblick auf

die dargestellten Bewegungen der Bewegungssinn, das sind die vom

Beschauer unwillkürlich nachgebildeten Muskelspannungen der in

den Gemälden und Bildnereien dargestellten Menschen, sowie auf

die Linienführung in den Strebepfeilern und verwandten Gebil-

den der Baukunst. Mittelbar kommt sodann, was sehr wichtig ist,

der Zeitsinn, die Zeitgestalt der Werke der bildenden Kunst in

Anwendung. Bei Bauten, Riesengemälden und Riesenbildnereien

kommt sogar unmittelbar die Zeit in Betracht, welche zur Über-

blickung und Umschreitung nötig ist. Mittelbar aber spielt jene

Rhythmisierung und Zeitgestaltung, welche durch die V e r h ä l t -

n i s s e in den Farben- und Raumgebilden der Gemälde, Bildne-

reien und Bauten entstehen, eine grundlegende Rolle. Nicht nur

der Zeitsinn abstrakt, sondern der musikalische Sinn in bestimmter

Weise meldet sich. Besonders die Säulenstellungen großer Bauten,

z. B. griechischer Tempel, bringen neben der Rhythmisierung, dem

Zeitmaße, auch eine Harmonisierung der Formenverhältnisse mit

sich. Mit Recht wurde daher die Architektur „gefrorene Musik“

genannt, ein Wort, welches Friedrich Schlegel zugeschrieben wird

1

.

Man kann es aber auch auf die Malerei und Bildnerei ausdehnen.

Denn in allen Werken der bildenden Kunst ordnen sich die Ver-

hältnisse der Massen, Farben, Raumgebilde nach Art von Einklän-

gen und Mißklängen; so daß die Verhältnismäßigkeiten der Far-

bengebilde, zeichnerischen Gebilde und Raumgebilde der Malerei

und Bildnerei, besonders aber auch die Massenverteilungen und die

Säulenstellungen der Bauten mit ihrem Wechsel von Last und

Stütze als die r ä u m l i c h e Ü b e r s e t z u n g der Rhythmik

und des Einklanges wie Mißklanges der Musik betrachtet werden

können. — Umgekehrt nannte man mit gleichem Rechte die Fuge

eine „musikalische Architektur“

2

.

1

Dazu kurzschriftliche Anmerkung: Was in der Musik der Rhythmus ist, ist

in der Baukunst die W i e d e r h o l u n g .

2

W. Korte: Musik und Weltbild, Leipzig 1940, S. 34.