Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8356 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8356 / 9133 Next Page
Page Background

296

tonung zur höchsten seelischen Innigkeit und zu einer Art von

Unmittelbarkeit und wird durch den Hintergrund, welchen die

bildenden Künste dabei bilden, zu noch höherer Naturwirklichkeit

und zu einer gleichsam verklärten Naturbeseeltheit gebracht.

Statt die Reihe der Künste hier durchzugehen, sei es erlaubt,

das an einem besonderen Falle vor die Seele zu bringen. Allbekannt

ist Beethovens Vertonung von Schillers Lied an die Freude: „Freude,

schöner Götterfunken“. Beethoven erhebt in uns diese göttliche

Eingebung Schillers zu solcher Innigkeit des Lebens, daß die Seele

sich wie in Verklärung findet, sich in Freiheit und Herrschaft fast

zu einem unmittelbaren Dasein steigert.

Das leistet die Verbindung der Künste durch gegenseitige Er-

weckung!

Ein anderes, nicht minder eindrucksvolles Beispiel ist Schuberts

gewaltige Vertonung von Friedrich Schlegels Gedicht „Waldes-

Nacht“. Wer das Lied auch nur einmal im Leben hörte, wird beim

Lesen jedesmal von der Gewalt der Töne in der Erinnerung mit-

gerissen und spürt nichts von dem, was man ohne die Vertonung

Mängel der Dichtung Schlegels nennen könnte:

Waldes-Nacht

Windes Rauschen, Gottes Flügel,

Tief in kühler Waldesnacht,

Wie der Held in Rosses Bügel,

Schwingt sich des Gedankens Macht.

Wie die alten Tannen sausen,

Hört man Geisteswogen brausen ...

In geschichtlicher Hinsicht ist wichtig, daß in Zeiten hoher Kunst-

entwicklung die gegenseitige Verbindung der Künste reicher und

vielfältiger ist als in Verfallszeiten. Das entspricht dem höheren

seelischen Aufschwunge der Blütezeiten; ebenso der allgemeineren

Verbreitung künstlerischen Könnens. Der Sänger war zugleich Dich-

ter und Tonsetzer, der Bildhauer bemalte seine Werke (nicht nur

die griechischen Plastiken waren bekanntlich bemalt!). Heute wun-

dert man sich über das damals Selbstverständliche.

Wie sehr die Vereinzelung der Künste zugleich ein Verarmungs-

und Verfallszeichen ist, davon gibt ja gerade die Gegenwart Zeug-

nis. Von den „Baukünstlern“ nach 1900 wurde sogar in der Bau-

kunst die Verbindung mit anderen Künsten bekämpft und beson-