Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8351 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8351 / 9133 Next Page
Page Background

291

Ein besonders lebendiges Gefühl davon finden wir in der Roman-

tik, so bei Novalis, Eichendorff, Tieck, Theodor Amadeus Hoff-

mann, vor allem aber bei Goethe. Seine meisterlichen, allbekann-

ten Worte

1

, welche einen Gedanken Plotins wiedergeben, bezeugen

das deutlich:

Wär’ nicht das Auge sonnenhaft,

Die Sonne könnt’ es nie erblicken;

Läg’ nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

Wie könnt’ uns Göttliches entzücken?

So wie hier Goethe mit einer gewissen Gleichartigkeit des Men-

schen mit der Natur (Auge — Sonne) zugleich die Befaßtheit, die

Rückverbundenheit in Gott ausspricht, wodurch die mystische Fä-

higkeit des Menschen erklärt und von der Kunst darstellbar wird;

so auch in einem anderen oft angeführten Worte

2

:

Im Namen dessen, der sich selbst erschuf!

Von Ewigkeit in schaffendem Beruf;...

In jenes Namen, der, so oft genannt,

Dem Wesen nach blieb immer unbekannt:

So weit das Ohr, so weit das Auge reicht,

Du findest nur Bekanntes, das i h m

3

gleicht,

Und deines Geistes höchster Feuerflug

Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug.

Dieser oft angeführte Vers wird meistens dahin verstanden, daß

Auge und Ohr in der Natur nur ihnen Bekanntes fänden. Das wäre

unrichtig und außerdem sinnlos. Goethe sagt hier vielmehr, was für

seine gesamte Naturforschung grundsätzlich gilt, daß wir ü b e r -

a l l i n d e r N a t u r n i c h t s a l s Ä u ß e r u n g e n , O f f e n -

b a r u n g e n G o t t e s f i n d e n .

Goethe spricht die völlig beherrschende Bedeutung der Rückver-

bundenheit (wie wir es ausdrücken) nicht nur hier aus, sondern an

zahllosen Stellen. So gleich noch im Prooemion:

Was war’ ein Gott, der nur von außen stieße,

Im Kreis das All am Finger laufen ließe!

Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen,

Natur in sich, sich in Natur zu hegen,

So daß, was in ihm lebt und webt und ist,

Nie s e i n e Kraft, nie se i n e n Geist vermißt.

1

Goethe: Zahme Xenien,

2

Goethe: Prooemion, 1816.

3

Das heißt: dem Gotte!

19

*