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ders die Verwendung von Zieraten (Ornamenten) unter dem
Schlagworte „Ornament und Verbrechen“, das heißt das Ornament
sei dem Verbrechertume (wegen des Tätowierens!) eigen, in der
Baukunst verpönt
1
.
Die Baukunst verarmte und vereinzelte sich, welcher Tatsache es
auch entsprach, daß sie etwa von der Jahrhundertwende an mehr
und mehr auf die gerade Linie — unter ausdrücklicher Berufung
auf die Maschine (!) — einschrumpfte.
In der Malerei zeigte sich (ohne Verbindung mit anderen Kün-
sten) ähnliches schon an den Gegenständen: arme Näherinnen, her-
untergekommene Arbeiter oder sogar fast unkenntliche und krank-
hafte (!) Dinge ohne Geistesgehalt und ohne sinnbildlichen Wert,
daher auch ohne Bezug auf das höhere Geistesgut des Volkes wie
etwa auf Sagen, Märchen, rühmliche Überlieferungen, göttliche
Dinge, welche eine Verbindung mit Dichtung und Religion herbei-
führen könnten; wogegen die Alten ihre Götter, spätere Blüte-
zeiten ihre metaphysisch-religiösen Inhalte und Sinnbilder zum
Gegenstande nahmen.
Umgekehrt beleuchtet die Verbindungsfähigkeit und gegenseitige
Erhöhung der Künste ihre innere Einheit. Nach unserer Begriffs-
bestimmung des Schönen ist diese aus der allen Künsten gemeinsa-
men Eingebung, welche nur mit verschiedenen Mitteln gestaltet
wird, zu erklären.
Andererseits erklärt sich daraus, daß diese Einheit keine Einerlei-
heit sei. Die verschiedenen Künste verschwimmen nicht ineinander.
Dem verschiedenen Geistesgehalte der Künste liegt grundsätzlich
ein verschiedenes Verhältnis, eine arteigene Bezogenheit des Ein-
gebungsgehaltes auf die jeweiligen Gestaltungsmittel zugrunde. Ein
und dieselbe Wesenheit, welche von der Eingebung erfaßt wird,
stellt sich in verschiedenen Gestaltungsebenen auf verschiedene
Weise — mehr geistig, mehr naturhaft-leiblich — dar.
Diese arteigene Bezogenheit bedingt auch das Unübertragbare,
den e i g e n t ü m l i c h e n W e r t der einzelnen Künste. Denn
wenn sie auch an Geistesgehalt eine Stufenleiter bilden, so doch nur,
indem ihnen die sinnlichen Mittel, durch welche sich die Eingebung
1
Vgl. den aufschlußreichen Aufsatz von Hans S e d l m a y r : „Abbildende
Architektur“, Wien 1948 (Akademie der Wissenschaften in Wien).