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Ferner die bekannte Stelle im Faust:

Erhabner Geist, du gabst, du gabst mir alles ...

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,

Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust

Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.

Vieles ähnliche ließe sich noch von Goethe anführen. Hier nur

noch ein Ausspruch aus dem Nachlasse: „Wer die Natur als gött-

liches Organ leugnen will, der leugne nur gleich alle Offenbarung.“

Die Möglichkeit, daß es Kunst gebe, beruht darauf, daß die Sin-

nesbeschaffenheiten nicht bloß subjektive Vorgänge sind — wie die

verderbliche Lehre von der „Subjektivität der Sinnesqualitäten“

fälschlich behauptet —, vielmehr daß Innen und Außen einander

e n t s p r e c h e n , einander zugeordnet sind!

Der M e n s c h u n d d i e N a t u r b i l d e n e i n G a n z e s

h ö h e r e r O r d n u n g ! Naturseele, menschliche Leibesseele und

menschlicher Geist entsprechen einander — aber auf verschiedenen

Ebenen!

Nur d u r c h d i e s e h ö h e r e E i n h e i t i s t K u n s t

m ö g l i c h !

Wenn wir sagen, Dichtung und Musik arbeiten mit fast geistes-

eigenen, die bildende Kunst dagegen mit geistesfremden Mitteln, so

will damit wohl eine größere Geistesnähe, ein Vorrang, nicht aber

eine unumschränkte Herrscherstellung der Dichtkunst ausgespro-

chen sein. Man denke nur an das Lächeln der Mona Lisa. Leonardo

hätte, was er hier gestaltete, weder in Dichtungen nach Art der

Faustmonologe, noch in philosophischen Darlegungen ausdrücken

können. Diese Leistung der bildenden Kunst geht demnach i n

i h r e r W e i s e über Dichtung und Philosophie hinaus!

Es besteht also wohl ein verschiedener Geistesgehalt der verschie-

denen Kunstgattungen, aber unbeschadet der Arteigenheit der Lei-

stungen der Künste. Die Künste fassen die Eingebung nicht vom

gleichen Standpunkte auf!

Die K u n s t g a t t u n g e n w e r d e n d u r c h d i e j e -

w e i l i g e W a h l v e r w a n d t s c h a f t d e r E i n g e b u n g