303
Denken wir die Welt als einen S t u f e n b a u , in welchem die
einfachen stofflichen Dinge zuunterst, die lebendigen, organischen
in der Mitte, der fühlende und denkende Geist zuoberst stehen, so
begreifen wir, daß nicht alles Schöne, welches auf Grund der Ein-
gebung gestaltet wird, von gleicher Würde, Bedeutung und Größe
sein könne.
Es wären vielmehr zu unterscheiden: Die Kunstwerke mit ein-
fachem stofflichen Gegenstande, z. B. einem Kieselstein; darüber
schon jene mit lebenden Gegenständen, z. B. Blumen und Tieren;
noch höher hinauf die geistigen, z. B. Cäsar als Gegenstand eines
Dramas. Über allem stünde dann das Überirdische und übermächtig
uns Entgegentretende, z. B. das Heilige, der Sternenhimmel.
Das erste nennen wir das E i n f a c h - S c h ö n e , das zweite
das L e b e n d i g - S c h ö n e , das dritte das G e i s t i g - S c h ö n e
oder H o h e S c h ö n e , das letzte endlich das E r h a b e n e .
1. Die Stufenleiter vom Einfach-Schönen zum Hohen Schönen
Da die angeführten Stufen des Schönen auch ineinander über-
gehen können, z. B. der Kieselstein zu dem, Organischem sich an-
nähernden Quarzkristalle, niedere Tiere in höhere Tiere, so ergäben
sich vom Einfach-Schönen bis zum hohen, geistigen Schönen man-
nigfache Abstufungen. Diese aber alle zu unterscheiden, wäre eine
überflüssige gelehrte Arbeit, die leicht zu peinlicher Kleinmeisterei
führen könnte. Wir begnügen uns daher, die wichtigsten Bestim-
mungen, wie sie auf dem Wege liegen, herauszuheben.
Da ist für das Einfach-Schöne zunächst das S t i l l e b e n u n d
d i e I d y l l e . Eigentlich könnte diese Art des Schönen nur für die
stofflichen und lebendigen Dinge, also vornehmlich für Blumen-
stücke mit Naturgegenständen gelten; im übertragenen Sinne jedoch
kann es auch für menschliche Angelegenheiten, welche als in natur-
hafter Einfachheit empfunden erscheinen, gelten. — Es wäre leicht,
hier noch das L i e b l i c h e , R e i z e n d e und ähnliches an-
zufügen; aber man kann das ruhig der wechselnden Übung des
Lebens überlassen. Denn bei Weiterverfolgung solcher Unterteilun-
gen kämen wir ins Uferlose.
Übrigens können sich diese Unterscheidungen mit der des Hohen
Schönen verbinden: A u c h d a s H o h e S c h ö n e k a n n