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an sich; und dieses bedrückt nicht, sondern es befreit zugleich. Der

unendliche Sternenhimmel, die gewaltigen Berge, die hohe See, der

Sonnenauf- und -Untergang in der freien Natur, die Seelenstärke,

mit welcher der Held das zermalmende Schicksal trägt, das Heilige

als Gegenstand der Kunst — das alles ist erhaben. Daher sind die

Dramen des Aischylos und Sophokles, sofern sie die übermächtige

Gewalt des Schicksals zum Gegenstande nehmen, erhaben; ebenso

sind es gewisse Teile in den großen Messen, z. B. das Gloria in der

H-Moll-Messe Bachs, Mozarts, Beethovens, Schuberts, in denen das

Übermächtige der Gottheit uns überwältigt; wie denn auch die

hohe Kunst nicht selten Blitz, Donner und Sturm, in denen ein

Übermächtiges erscheint, zum Gegenstande nimmt. (Man erinnere

sich an „Sind Blitze, sind Donner“ aus der Matthäus-Passion.)

Das Erhaben-Schöne ist jenes, in welchem nicht nur der Glanz

der Eingebung leuchtet, sondern auch deren Inhalt in machtvoller

Ubersinnlichkeit hervortritt.

Das Wesen des Erhabenen als einer Art des Schönen erkennen wir auch an

seinem Gegenteile. Friedrich Theodor Vischer erklärte das K o m i s c h e , Schas-

ler, Eduard von Hartmann und einige Neuere das A n m u t i g e dafür; also

andere Arten des Schönen.

Wir könnten diesen Bestimmungen allerdings nicht beitreten. Denn das Gegen-

teil des Übermächtigen (welches wir als die Grundlage des Erhabenen bestimm-

ten) wäre dasjenige, was unter uns liegt, das Ohnmächtige, Kleine, Untergeord-

nete. Und dieses kann eigentlich nur ein Unvollkommenes sein, also ein S p i e -

l e r i s c h e s , was man etwa als Schäferspiel, Behaglichkeitsdichtung, Kunst der

Spießbürgerlichkeit, oberflächliche Friedeglückskunst und dergleichen mehr be-

zeichnen müßte. Was unter dem Menschen ist, kann nicht Gegenstand wahrer

Kunst sein.

B.

Die A r t e n d e s S c h ö n e n a u s d e r G e s t a l t u n g

( D i e E b e n b i l d l i c h k e i t d e r G e s t a l t )

Die Vollkommenheit der Gestalt, das heißt ihre Ebenbildlichkeit

zur Eingebung, kann keine eigenen Arten oder Kategorien des

Schönen begründen. Denn sie gibt gerade in diesem Falle den Inhalt

der Eingebung wieder, wie sich zeigen wird.

Vorerst eine Bemerkung zur Rechtfertigung des Kunstausdruckes „Ebenbild-

lichkeit“, welcher für manche etwas Fremdartiges an sich haben mag.