Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8367 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8367 / 9133 Next Page
Page Background

307

Statt von „ebenbildlicher“ könnte man in der Tat auch von „treuer“, „genauer“,

„vollkommener“ Gestaltung der Eingebung sprechen; oder von „peinlich fol-

gender Wiedergabe“; von stetem „Festhalten“ der Eingebung durch die Gestal-

tung.

Aber alle diese Begriffe, das „vollkommen“, „treu“, „genau“ usw. werden

gerade durch die Bezeichnung als „e b e n b i l d l i c h“ näher bestimmt, alle

Nebenbedeutungen von „Treue“, „Vollkommenheit“, „Peinlichkeit“ und der-

gleichen mehr, werden vermieden. Darum sprechen wir nicht nur aufs eindeu-

tigste und bestimmteste von „Ebenbildlichkeit“; wir wenden damit auch einen

Begriff der ganzheitlichen Kategorienlehre an; und in deren Geist vollziehen

sich ja alle unsere Untersuchungen.

Das Schöne beruht auf ebenbildlicher Gestaltung des in der Ein-

gebung Empfangenen; und zwar durch die verschiedenen Gestal-

tungsebenen hindurch, wie sie den einzelnen Künsten eigen sind

(und sich früher ergab).

Darnach ist es vor allem wesentlich, festzuhalten, daß die Aufgabe

ebenbildlicher Gestaltung des in der Eingebung Empfangenen in

jeder Kunst m e h r m a l s gestellt ist: So oft die geistige Urgestalt

auf eine andere Ebene übertragen werden muß, so oft muß die

Ebenbildlichkeit gewahrt werden! Das bestimmt sich nach den Aus-

drucksmitteln der betreffenden Künste. Neben den sinnlichen Ebe-

nen von Farbe, Ton, Werkstoff wird daher das Zeitmaß in den

zeitlichen, die Raumabgrenzung in den räumlichen Künsten jedes-

mal ebenbildlich erfolgen müssen: Zeitgestalt, Raumgestalt, Ton,

Tonfolge (Melodie), Licht und Farbe, Farbenzusammenhang (Kom-

plementarität der Farben), Klangfarbe (Instrumentierung), sinnlich-

stoffliche Beschaffenheiten jeder Art, auch der Werkstoffe, Aus-

drucksgebärde (in der Schauspiel-, Vortrags- und Tanzkunst) — sie

alle müssen die Eingebung ebenbildlich wiedergeben; und erst da-

durch werden sie untereinander in reinen Entsprechungsverhält-

nissen stehen, werden sie aufeinander „abgestimmt“ sein.

Der Künstler weiß meistens von dieser Vielfalt der Gestaltungs-

aufgaben wenig; doch zeigt sie sich, sobald Schwierigkeiten auf-

treten, z. B. im Rhythmus, im Reim, in der Farbengebung.

Als ein B e i s p i e l der Ebenbildlichkeit von Zeit- und Ton-

gestalt erwähnten wir schon in anderem Zusammenhange Dantes

großes Gedicht. Es ist in Terzinen abgefaßt, welche in ihren immer

neu fortschreitenden, nie endenden, nie völlig in sich zurück-

kehrenden Verschränkungen ganz dem Drange nach dem Unend-

20*