Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8365 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8365 / 9133 Next Page
Page Background

305

von jeher besonders teuer. Michelangelos Sybillen, Leonardos

„Abendmahl" und „Mona Lisa“, Dantes „Neues Leben“, Shake-

speares „Sturm“, der Bildungsroman, wie ihn Grimmelshausens

„Simplizissimus“ anbahnte, Goethe in seinem „Wilhelm Meister"

zum erstenmal schuf und später von den Romantikern übernommen

wurde — sie alle, neben den großen Musikwerken von Bach bis

Schubert — bilden eben darum Beispiele des Hohen Schönen, wel-

ches wir auch das S c h ö n - G r o ß e nennen können.

Jede echte Kunst, das sehen wir daraus folgen, muß ihrem eigen-

sten Wesen nach zur Hohen Schönheit hinneigen und zuletzt gar

werden. Denn indem, wie sich zeigte, auch der einfache Gegenstand

in seiner rätselvollen Tiefe an das Göttliche geknüpft ist; und indem

die Eingebung diese Tiefe erreicht, ist nichts mehr von Gewöhn-

lichem an ihm, und die von solcher Eingebung gegründete Schön-

heit wird zur hohen Schönheit.

Zu allem Gesagten können wir noch an das frühere Beispiel von

Goethes „Fischer“ erinnern, welchem, wie Goethe sagte, nur eine

Empfindung des Lockenden des Wassers zugrunde liegt. Aber aus

was für einer Eingebung entsprang diese Empfindung! Sie dringt in

magische, nicht ergründbare Tiefen vor und findet in Nixe und

Fischer die reinen Entsprechungsgestalten dazu — das Hohe Schöne

entsteht!

2. Das Erhabene

Home, Burke, Kant, Schiller trennten das Erhabene vom Schönen,

weil (nach Kant) das Erhabene Achtung, das Schöne dagegen Nei-

gung erwecke. Jedoch in Wahrheit ist das Erhabene eine Art des

Schönen; denn wie könnte es in Wahrheit anders auftreten als

im Mantel des Schönen. Auch ist mit der wahren Achtung stets

auch eine Neigung verbunden.

Das Erhabene ist in seiner Sonderstellung ebenfalls nur von der

Eingebung aus zu erklären: Wenn die Eingebung einen Gegenstand

ü b e r m ä c h t i g e n Inhaltes erfaßt, entsteht das Erhabene. Alles

Übermächtige hat zugleich ein stark hervortretendes Übersinnliches

20 Spann, 19