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der Gestaltung wettgemacht zu werden. — Dasselbe gilt grundsätz-
lich von den anderen Werken Gottfried Kellers, die durch den
Mangel an metaphysischer Innerlichkeit dem Irdischen allzu imma-
nent bleiben; ja gerade dadurch in Plattheiten stecken bleiben
müssen (z. B. „Die Leute von Seldwyla“).
T h e o d o r S t o r m (1817—1888) sehen wir schon jenen Pes-
simismus, welchen Gottfried Keller noch vermeiden wollte, jene
Entmutigung über die Sinnlosigkeit des ins Nichts verwehenden
Menschendaseins offen aussprechen:
So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis’ verläßt dich alles Hoffen,
Bis du es endlich, endlich weißt,
Daß dich der Todespfeil getroffen
1
.
Solche Töne lagen dem Dichter des urkräftigen Trostgedichtes „Der
Nebel steigt, Es fällt das Laub ... Wir wissens doch — Die schöne
Welt — ist gänzlich unverwüstlich . . . “ von Natur aus gewiß nicht!
Es liegt aber in der Natur der Sache, daß er sich der Folgerungen
aus dem Verluste des Unsterblichkeitsglaubens nicht erwehren
konnte, zum Beispiel:
„Wir blätterten schon hin und her
- denn ruchlos wurden unsere Hände -
Und auf der letzten Seite sehn
Wir schon das schlimme Wörtlein Ende“
2
.
Nicht zufällig sind jene Werke Storms die besten, welche alten
Sagen folgen und daher jenen metaphysischen Geist in sich tragen.
So in „Pole Poppenspäler“ und vor allem im „Schimmelreiter“, wo
nach der Sage die Geisterwelt hereinwirkt und dadurch der Dich-
tung ein Glanz der Rückverbundenheit verliehen wird.
T h e o d o r F o n t a n e (1819—1898) verlor nach Lütgert un-
ter dem Einflusse Schopenhauers seine Unsterblichkeitsüberzeugung:
„Immer enger, leise, leise
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt.
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt“
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.
1
Wilhelm Lütgert: Die Religion des deutschen Idealismus, ..., S.
2
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Wilhelm Lütgert: Die Religion des deutschen Idealismus, . . . , S.
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Wilhelm Lütgert: Die Religion des deutschen Idealismus, . . . , S.
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