Seht um euch, ihr seid von Wundern umgeben
Was man gegen unsere Philosophie der Schönheit einwenden
könnte, das wäre, im Geiste des heutigen Materialismus gesprochen,
daß sie von der Eingebung als einer Berührung der höheren Welt
ausgehe und damit das Wunderbare lehre.
Wir antworten darauf: Seht um euch, ihr seid von Wundern
umgeben.
Die Welt um euch und in euch ist voller Wunder, aus Gewohn-
heit und Vertörung durch falsche Lehren seht ihr sie nicht.
Habt ihr die Wunder einmal erblickt, so versteht ihr, daß ohne
sie weder ein Seelenleben noch ein Naturleben noch auch nur ein
stoffliches Sein und Geschehen möglich wäre.
Wunder über Wunder zeigt uns das i n n e r e L e b e n in uns
selber, unser Geistes- und Seelenleben.
Jedenorts und jederzeit bricht aus unserer Seele und unserem
Geiste ein überirdischer Glanz hervor, der uns, stark genug und als
solcher gefühlt, in einen höheren Zustand versetzt und Freude
unser Teil sein läßt.
Da ist die L i e b e in jeder Form! Liebe ist Hingabe; aber der
naturhafte Mensch beruht auf Selbstsucht (oder glaubt wenigstens,
darauf zu beruhen). So ist ihm Liebe ein Wunder, das aus der Tiefe
unseres Wesens bricht und in ihrem Wesensgefüge der äußerlichen,
nüchternen Daseinsart des Menschen widerspricht.
Die einfachste Freundesliebe, ja die blasseste Menschenliebe, geht
schon über jene naturhafte Ich- und Eigensucht hinaus; denn sie
ist ohne Hingabe, und wäre diese auch noch so schwach, nicht mög-
lich. Aber noch mehr: die Liebe gibt, indem sie selbst empfängt!
Wir wachsen und werden geistig erst in der inneren Teilnahme, die
uns der Gefreundete widmet; sie ist uns Licht und Wärme, ohne
die wir gar nicht sein könnten; der Frühling unserer Seele, ohne
den wir nicht blühen und wachsen könnten.
Aber nicht nur von dem Gegensatz Hingabe — Empfangen aus