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reiner empfanden, gab es in aller Form Opferdienste für die bösen
Mächte, deren Führer in der Religion Zarathustras Ahriman war. In
der ersten christlichen Zeit wurde dieser Gegensatz kaum abge-
schwächt, doch hatte man noch in der Zeit des gotischen Baustiles
ein lebendiges Gefühl davon, wie die Darstellung böser, dämoni-
scher Wesen an den großen Domen noch heute handgreiflich zeigt!
Die Gotik faßte das Böse in Mensch und Natur durchaus als das zu
Bändigende, mit Gottes Hilfe zu Unterwerfende auf. Der Mensch
erschien ihr seinem Wesen und seiner Bestimmung nach als Gottes-
streiter (was ganz dem altgermanischen Begriffe der Einherier ent-
spricht). Auch der Umstand, daß man die Templer bekanntlich (ob
mit Recht oder mit Unrecht) des Teufelsdienstes anklagte; ferner
der Kolmarer Altar Grünewalds mit seinen Dämonengestalten —
das alles macht uns Heutigen so recht deutlich, wie lebendig damals
noch das Gefühl einer Gegenwelt, eines Unholdisch-Finsteren und
Häßlichen war.
Je mehr später Nominalismus, Empirismus, Positivismus und
mechanistische Naturauffassung, mit einem Worte der alles ent-
seelende Materialismus in die neuere Denkweise eindrang, umso
mehr ging das von Anfang stammende Gefühl jenes Urgegensatzes
von Ormuzd (Ahura mazda) und Ahriman, von Gott und dem
Widersacher verloren.
Begleitet wird dieser Vorgang der Entseelung der Welt und Ver-
ödung der Herzen von einem fast unüberwindlichen P e s s i m i s -
m u s , auf den wir schon öfters aufmerksam machen mußten: Scho-
penhauer, Eduard von Hartmann, Kierkegaard, Nietzsche zeugen
davon zur Genüge (letzterer im Gewande eines Pseudooptimismus);
und in der letzten Zeit tritt noch der ruchlose „Existenzialismus“
hinzu! Man kann sich diese Bewegungen aus dem neunzehnten und
zwanzigsten Jahrhundert nicht hinwegdenken. Vorher kamen dazu
schon die Leiden, welche die Französische Revolution von 1789 mit
ihrer Herrschaft der sittlichen und geistigen Unterwelt, sodann
noch die Napoleonischen Kriege, die ebenfalls die Unterwelt be-
günstigten, über die Menschheit brachten.
In der bildenden Kunst begann sich das Unholdisch-Häßliche
zuerst in der Dämonenmalerei G o y a s (1746—1828) zu zeigen
und führte auf verschiedenen Zickzackwegen schließlich zu jener
„Modernen“ in allen Künsten, welche seit etwa 1900 ohne Scham