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ausmacht! Im gegenseitigen Sich-Erwecken haben wir den Schlüs-

selbegriff alles inneren Seins — genau das Gegenteil des stofflich-

naturhaften Seins, wie wir es zu verstehen pflegen. In diesem ist

alles atomhaft, für sich, ein Stein ist gewissermaßen die Summe

seiner eigenen Teile mit ihren Eigenschaften; aber ein Mensch ist in

seinem Innenleben erweckt und so zugleich ein Sein des Andern,

gleichwie er selbst den Andern erweckt und ihn dadurch zu einem

Teile seiner selbst macht. Er ist also nicht nur er selbst, sein Sein ist

nicht atomhaft in sich selbst gegründet. Er ist zugleich der Andere.

Mutter und Kind, Lehrer und Schüler, Freund und Gefreundeter,

Liebender und Geliebte, Künstler und teilnehmende Zuschauer —

sie alle sind es und sind es nicht, sind sie selbst und doch im An-

d e r n !

Dieses ist das erste, das größte und geheimnisvollste aller Wun-

der. Geistiges Sein ist nicht, außer auch im Andern und durch den

Andern (bei aller inneren F r e i h e i t jedes Gliedes dieser Ge-

meinschaft). Ich bin auch der Andere! Dadurch wird ein Lebens-

strom der Ganzheit in das Herz jedes Gliedes geleitet, ein Flam-

menmeer steter Wunder!

Und auf noch größere Wunder weist uns die G o t t e s l i e b e !

Darüber höre man Meister Eckehart. Er spricht in immer neuen

Sprachen davon zu uns; wie es auch die anderen Mystiker tun.

Eines solcher großer Worte lautet: „Wo Gott ist, da ist die Seele,

und wo die Seele ist, da ist Gott“

1

. Das will sagen, daß gleichsam

eine Gegenseitigkeit höherer Ordnung zwischen Gott und Seele

herrsche. Wie Eckehart auch ganz allgemein sagt: „Da Gott die

Kreatur ansieht, da gibt er ihr ihr Wesen; da die Kreatur Gott

ansieht, da nimmt sie ihr Wesen“

2

. Das will sagen, daß in ihrem

heimlichen, tiefsten Wesen die Kreatur (welche hier die mensch-

liche Seele ist) Aug in Auge mit Gott wird. Indem sich die Seele

so aus dem dunklen Grunde der Schöpfung formiert, ist sie nicht

nur sie selbst, sondern auch in Gott (was ja auch der Begriff der

Rückverbundenheit lehrt).

Alles, was der Mensch über Gott, Gottesliebe und Schöpfung

denken mag, führt ihn auf erhabene Wunder, erhaben, aber doch

* 8

1

Franz Pfeiffer: Meister Eckehart, Neudruck von 1857, Göttingen 1906,

S. 267, 12.

8

Ebenda, S. 267, 9.