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denen ähnlich, welche er auch in der Liebe und Gemeinschaft

antrifft.

Unser letzter Lebensgrund ruht, so verstehen wir, auf einer tief

verborgenen Einheit der Seele mit Gott. In aller Liebe liegt Einheit,

in welcher die Zweiheit aufgeht. Liebe stößt ins Metaphysische vor!

Liebe ist Unterricht in Metaphysik.

Einheit mit Gott, Gottesnähe ist Himmel; Trennung von Gott,

Gottesferne ist Schrumpfung an Sein, Hölle.

So ist schon Grund, Ursprung und Leben der Seele höchstes, dem

lauteren Tage verborgenes Wunder. Und im wachen Dasein der

Seele ist Liebe der wahre Geistesfrühling; geistige Selbstsucht da-

gegen, innere Getrenntheit ist Verödung, Erstarrung des eigenen

geistigen Seins.

Aber noch andere Tatsachen unseres inneren Lebens sind dem

gewöhnlichen, atomistisch sich darstellenden Verlaufe des Gesche-

hens entrückt und entgegengesetzt. Wir greifen als die wichtigsten

heraus: das Erkennen und Gestalten, anders gesagt das Wissen und

die Kunst.

Das E r k e n n e n beruht keineswegs, wie die herkömmliche, in

äußerlicher Vergleichung mit mechanisch-physikalischen Vorstel-

lungen entstandene Meinung will, auf nachträglicher Verbindung

und Zusammenfügung von Erinnerungen an Sinneseindrücke, wel-

che wir von der Außenwelt empfingen, also auf Verbindung von

„Vorstellungen“. Wahr ist wohl, daß niemand z. B. Erkenntnisse

über das Pflanzenleben sammeln kann, der blind ist und daher nie-

mals eine Blumenwiese sah. Aber hier sind äußere Vorbedingungen,

nämlich Sinneseindrücke, mit dem Wesenhaften, nämlich dem Den-

ken, dem inneren Aufbauen des Erkennens, verwechselt und ist

eine falsche Ansicht vom Wesen geistig-seelischen Seins überhaupt

zugrunde gelegt.

F i c h t e war es, der diese Ansicht längst berichtigte und der

Welt die unsterbliche Einsicht in die Natur unseres Ichs schenkte;

daß sie nämlich auf „Selbstsetzung“, wie er sagte, beruhe! Zwar

kannte schon Platon und die gesamte Mystik diesen Begriff — Pla-

ton sprach von „Selbstbewegung der Seele“ —, aber mit voller Klar-

heit und Kraft entwickelte ihn erst Fichte und machte ihn zum

Eckstein seiner ganzen Lehre.