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72

Die Natur

ließe sich

kreuzigen,

den Geist

zu kosten

Das Gebre-

chen des mo-

dernen Men-

schen: vom

Geiste nichts

zu wissen

Geist verbindet, den Geist also auf neue Weise dem Naturzusammen-

hange entreißt.

Der durch Liebe und Denken sich erschaffende Geist baut sich

weiterhin durch künstlerisches Ges ta lten eine innere Welt auf, die

er nach außen und nach innen hin zu verwirklichen trachtet, das

heißt, von der aus er sich zum Wol len und Handeln zu bestimmen

vermag; damit aber ein praktisch-poietisches Leben, ein Leben der

Fre iheit zu bewähren fähig ist.

Wie sehr übersteigt dieser Sachverhalt alle Begriffe, die von Raum

und Stoff hergenommen werden! Welcher Abstand von dem, was

uns die stoffliche Welt darbietet! Dieses Wunder eines in sich selbst

gegründeten Daseins vermag die gesamte äußere Natur mit ihren

Räumen, Kräften, Massen, Bewegungen, Energien niemals zu er-

reichen. Auch Kristallgestaltung und chemisches Werden ist nur

eine ferne Analogie des Liebens, Denkens und freien Gestaltens

des Geistes.

So groß ist das Wunder des Geistes, daß sich die ganze Natur

kreuzigen ließe, um es auch nur auf das leiseste ahnen, um es auch

nur von ferne anschauen zu dürfen, geschweige denn, es selbst zu

vollbringen.

Wie unrecht ist es vom Menschen, seines eigenen Adels nicht zu

achten und sich auf eine Stufe mit der stofflichen Natur, mit der

Vergänglichkeit und Veränderlichkeit ihrer Gebilde zu stellen.

Möchte er doch die Herzensmattigkeit überwinden, die darin liegt,

vom Geiste nichts zu wissen und seiner göttlichen Verwurzelung.

Der Mensch, in dessen Innern der Geist aufgeht, steht wie ein

Gott inmitten der Natur.

Haben nicht die alten Heiden, indem sie Menschen göttlich ver-

ehrten, das Wesen des Menschen besser verstanden als die Bildung

von heute, die ihn nur als materielles Gebilde ansieht, als chemi-

schen Bottich und elektromechanisches Getriebe? Goethe traf ganz

den alten Ton, indem er im zweiten Teil des „Faust” Fausten zu

Helena sagen läßt:

„O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,

Der ersten Welt gehörst du einzig an.”

Darin liegt Bürgschaft der Unsterblichkeit.

Der Zerstreuer:

Der Größe des Geistes muß der neuzeitliche Mensch erst mühsam

innewerden.