Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8572 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8572 / 9133 Next Page
Page Background

76

Vor-Bedingungen, das heißt nicht ohne Hilfe früheren geistigen

Geschehens und stofflicher Gegebenheiten sich vollziehe.

„Die Bewegung der Seele ist Selbstbewegung”, lehrte Platon;

ähnlich, wenn auch in anderer Form, Aristoteles, noch früher schon

die altindischen Upanischaden.

„Ausgliederung ist die eigene Tat der Ganzheit”, lehrt die ganz-

heitliche Kategorienlehre (und zwar in Gezweiung, in Mit-Aus-

gliederung, Mit-Selbstsetzung und Mit-Rückverbundenheit eines an-

deren Geistes).

„Das Wesen alles Geistigen ist Schöpfertum”, so können wir mit

einem heute vielleicht verständlicher klingenden Worte sagen. Was

wäre das Schöpfertum, wenn es sich aus Vorherigem als Wirkung

ergäbe und errechnen ließe, was wäre es, wenn es nicht schlechthin

Neues zu Tage brächte?

Schöpfertum ist Selbsttätigkeit, Wirksamkeit aus eigener Tiefe;

sie ist beim Menschen ein Wirken, Machen zwar mittels etwas (also

eines Werkzeuges, z. B. des Pinsels) und auf Grund von etwas (z. B.

der Kenntnisse, des Gelernten), aber nicht aus etwas, sondern aus

sich selbst, durch sich selbst!

In diesem „Aus-sich-Selbst”, das begreife, mein Freund, liegt

eine Welt anderen Geschehens als es die Physik lehrt, ein Sicher-

heben über das Gesetz des Stofflich-Räumlichen. Das stofflich Aus-

gedehnte ist, insoweit es nach der „Erhaltung der Energie” betrach-

tet wird, ein Gegebenes, Fixiertes, wo Schöpfung nicht mehr statt-

finden kann; Geist dagegen zeigt stets Neuschöpfung, stets Selbst-

setzung. Das Schöpfertum des Geistes quillt immer frisch aus Ur-

tiefen herauf. In diesem „Aus-Sich” liegt zugleich als das Größte:

ein Sicherheben über die Zeit, nicht nur über Stoff und Raum.

Der Zerstreuer:

Der Begriff des Schöpferischen, aus sich selbst Entspringenden

ist aller kausalmechanischen Betrachtungsweise so sehr entgegen, daß

er den heutigen Menschen wie märchenhaft anmutet. Seine Annahme

gäbe aller kausalen Wissenschaft im Haushalte des Geistes nur eine

untergeordnete Stelle.

Wenn ich des Schöpferischen des Geistes so recht inne werden

könnte, hätte das, ich gestehe es, ungeheure Folgen für mich. Auch

wären Selbstvergegenständlichung, Selbstverinnerlichung und Frei-

heit als Grundformen des Geistes dann erst ganz verständlich ge-

macht, erst ganz fundiert.