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blicken, wenn ich auf diesen Punkt komme. Fi chte war es, der den
großen, denkwürdigen Begriff der Selbstsetzung mit vor ihm nie er-
reichter Klarheit entwickelte und seine Folgen erkannte.
Aber die deutsche Bildung hat ihn wieder vergessen.
Der Zerstreuer:
Dafür hat sie die Natur mit erobern helfen.
Der Sammler:
Und ist selbst von ihr erobert worden. Mit Bitterkeit müssen wir
die Deutschen von heute, müssen wir die ganze Welt fragen: Hat
denn Fichte nie gelebt?
Das sich selbst setzende Ich, den Götterfunken im Menschen, hat
er gelehrt wie keiner vor ihm, Fichte, ein neuer Prometheus — wo
brennt heute sein Feuer?
Der Zerstreuer:
Sei billig und bedenke auch die Schwierigkeiten, die im natur-
wissenschaftlichen Zeitalter einem Begriffe wie der „Selbstsetzung”
entgegenstehen. Ich sehe sie in Folgendem:
In der stofflichen Welt geschieht nichts, was nicht aus dem Vor-
herigen eindeutig bestimmt wäre, nichts, was sich nicht aus den
Antezedentien mathematisch ableiten ließe. Auf diese Weise kam
man schließlich zum „mathematischen Funktionsbegriffe”, wie du
weißt, und diesen legte die neuzeitliche Physik ihren Forschungen
mit großem Erfolge zugrunde. Der Druck im Dampfkessel z. B. lei-
tet sich von der Erwärmung des Wassers her, die Erwärmung wieder
von der Verbrennung der Kohle. Und so folgt jede Energie, physi-
kalische Größe überhaupt, aus einer früheren und kann daraus
streng errechnet werden. Die Physik kennt nur Energieumformung,
nicht Neuhervorbringung, nicht Selbstsetzung, Sichselbsterzeugen.
Das liegt am Tage.
Nun drängt sich doch unwiderstehlich der Schluß auf, daß es
auch im Geistigen nicht anders sein könne, nur verborgener, ver-
wickelter. Lassen sich in der Tat nicht doch, trotz aller von dir mit
Recht hervorgehobenen Eigenheiten, wenigstens nach einer Seite hin
analoge Grundzüge des geistigen Geschehens auffinden wie des stoff-
lichen? Das ist wieder die Frage.
Der Sammler:
Nein, denn das widerspräche dem Wesen alles Geistigen schnur-
stracks.