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tionalität) ihrer Verbindung zum äußeren Ausdruck. Erst durch die Lebenskraft der
Ganzheit empfängt auch das einzelne Glied seine Bestandskraft.
Das Volksvermögen ist danach vor allem nicht nur die Gesamtheit des sogenannten
Realkapitals, sondern auch der Genußgüter einer Volkswirtschaft, des Kapitals höherer
Ordnung und des Vorkapitals, unangesehen des keimhaften oder fruchtartigen Stadiums
jeder der angeführten Arten. Diesem Begriff des Volksvermögens gemäß müssen die
„unbedingten Güter“ (Sachgüter) und die „bedingten Güter“ (aktive Güter oder
Arbeitsleistungen) ebenso wie die „Gelegenheitsgüter“ (geistigen Güter) grundsätzlich
als Bestandteile des Volksvermögens aufgefaßt werden. Zum herkömmlichen Begriff des
Volksvermögens als dem bloßen t o t e n Inventar der Volkswirtschaft, der bloßen
Sachgütergesamtheit, kommen daher noch hinzu:
1. Das I n v e n t a r d e r A r b e i t s k r ä f t e . Dieses aufzustellen ist nicht
allzu schwer, da einerseits die Alters- und Berufsgliederung gut bekannt ist, andererseits
der Kostenwert des Menschen, der sich aus den Erziehungskosten ergibt, einigermaßen
berechnet und in Anschlag gebracht werden kann. Ein vorläufiger Versuch dazu, der
einzige, der mir bekannt wurde, ist bereits von dem Statistiker Engel gemacht worden
1
.
Außer dem Kostenwerte kann auch der wirkliche Wert, z. B. nach der Lohnhöhe,
bestimmt werden oder wenigstens für die Berechnung / Anhaltspunkte bieten. Alles
geistige Kapital, alle Kenntnisse, Geschicklichkeiten und die Leistungsfähigkeiten sind
bereits im tatsächlichen Wert der Arbeit enthalten. Bei solchen Schätzungen ist es
allerdings nötig, auf die Altersgliederung Rücksicht zu nehmen (Junge und Alte sind tote
Last!), ferner auf die Gliederung nach Bildungsklassen (verschiedene Erziehungskosten)
und endlich auf die Sterblichkeit, da z. B. der Tod eines Kindes den Verlust des ganzen
bisher aufgewandten Erziehungskapitals bedeutet.
2. A l l e i m m a t e r i e l l e n G ü t e r , s o w e i t s i e s e l b s t ä n d i g ,
n e b e n d e n a k t i v e n K r ä f t e n u n d d e n S a c h g ü t e r n , m i t
d e n e n s i e v e r b u n d e n s i n d , e r f a ß t w e r d e n k ö n n e n . Dies
ist z. B. der Fall bei „Erfindungen“, „Geheimverfahren“, die zwar zu den betreffenden,
ausübenden Arbeitskräften zugehörig gedacht werden können, aber doch in aller Regel
davon ein unabhängiges Leben führen, daher auch als solche verkäuflich sind und
gewertet werden. Ebenso steht es mit den „Verhältnissen“, welche (wie Ruf und
Kundschaft) unabhängig von dem betreffenden jeweiligen Güterkomplex (der z. B. im
Inventar einer Fabrik gegeben ist) bestehen. Hingegen gehören nicht hierher die Rechte;
denn es wäre eine V e r d o p p e l u n g , z. B. sowohl das geheime Verfahren wie die
Rechtssatzung, welche es schützt (das Patent), als eigenes Gut zu betrachten. Böhm-
Bawerk wie Weyermann
2
stehen auf diesem richtigen Standpunkte.
1
Ernst Engel: Der Kostenwerth des Menschen (Der Werth des Menschen, Teil 1 =
Volkswirtschaftliche Zeitfragen, Bd 37), Berlin 1883.
2
Moritz Weyermann: Sozialökonomische Begriffsentwicklung des Vermögens und
Volksvermögens, zugleich als Beitrag zur wirtschaftlichen Güterlehre (Jahrbücher für
Nationalökonomie und Statistik, Dritte Folge, Bd 52, Jena 1916), S. 145 ff.