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3.
Eine besondere Frage bieten diejenigen immateriellen Güter, welche man etwa
als „Produktivkräfte“ bezeichnet, das ist das K a p i t a l h ö h e r e r O r d n u n g :
Rechtsordnung, Steuerwesen, Währungswesen usw. Sie lösen sich in einzelne
Leistungen auf, in Leistungen des Rechtsdienstes, des Verwaltungsdienstes und
dergleichen. Nun geht es nicht an, die Leistungen als solche bei der statistischen
Aufnahme des Volksvermögens zu zählen und außerdem noch die sie bedingenden
Organisationen und Einrichtungen als Güter sowie die sie vollziehenden Arbeitskräfte,
in diesem Falle die Beamten, da d i e s e i n e V e r d o p p e l u n g d e r G ü t e r
b e d e u t e n w ü r d e , wie denn überhaupt die Gefahr, mit doppelter Kreide zu
schreiben, bei unserem weiten Begriff des Volksvermögens vermieden werden muß. Bei
einer statistischen Aufnahme des Volksvermögens, die ihrer Natur nach eine
Augenblicksaufnahme sein muß (ähnlich wie die Volkszählung), genügt es, jene
A r b e i t s k r ä f t e , welche diese Leistungen hervorbringen und tragen, also im
wesentlichen die Beamten, nach ihrem augenblicklichen Werte zu veranschlagen. Darin
sind die Werte der Leistungen eingeschlossen — allerdings nur in roher, höchst
ungefüger und ungenauer Form. Für Dinge, die einen freien Marktpreis aber nicht
haben, wie die Beamtenleistung, kann man aber andere als die festgelegten,
behördlichen Preise kaum erlangen. Es gilt aber auch da, daß hoch bezahlte
Beamtenarbeit wertvoll und gut ist — das kommt eben im hohen Preis zur Geltung, z.
B. in Preußen; / niedrig bezahlte schlecht — was im geringen Preis bei der
Veranschlagung zur Geltung kommt, z. B. in Italien.
4.
Die f r e i e n N a t u r k r ä f t e , die sogenannten „ f r e i e n G ü t e r “ .
Diese sind im Rahmen vieler Privatwirtschaften im Überfluß vorhanden, wie z. B. das
Sonnenlicht, der Regenfall, daher zwar nicht im privatwirtschaftlichen Sinne Güter,
aber doch nur beziehungsweise freie Güter, doch Bestandteile des Volksvermögens.
Privatwirtschaftlich erhalten sie wegen ihres Überflusses und wegen ihrer technischen
Unverkäuflichkeit direkt keinen Preis (mittelbar wohl, z. B. indem der Acker auf der
Sonnenseite höher bezahlt wird als jener auf der Schattenseite); volkswirtschaftlich ist
aber dieser Überfluß schon nicht mehr vorhanden. Im V e r g l e i c h d e r
v e r s c h i e d e n e n V o l k s w i r t s c h a f t e n z e i g t s i c h d e r
w i r t s c h a f t l i c h e G u t c h a r a k t e r d i e s e r n u r s c h e i n b a r
v ö l l i g f r e i e n G ü t e r d e u t l i c h . Das Sonnenlicht, das milde Klima in
Italien ist an Ort und Stelle freies Gut (obwohl auch da nicht vollkommen); im Vergleich
zu den nordischen Volkswirtschaften hat aber Italien dieses Gut allein, liegen
Leistungselemente der Volkswirtschaft Italiens vor, die anderwärts fehlen. Im
zwischenstaatlichen Wirtschaftstausch ist daher das italienische Klima ein Seltenheits-,
ein echtes wirtschaftliches Gut, aus seiner Nutzung kann dabei Italien eine Rente ziehen.
Diese Rente zu kapitalisieren und zu veranschlagen, wird Sache der besonderen
Untersuchung des Volksvermögens sein. Die Aufgabe ist auch hier: die Bedingung und
das Bedingte, die Erzeugungskraft und das erzeugte Gut n i c h t d o p p e l t z u
r e c h n e n . In der Regel wird in den vorhandenen Sachgütern und Arbeitskräften
schon der Niederschlag jener freien Güter als natürlicher Erzeugungsmittel der
Volkswirtschaft gegeben sein, z. B. in dem italienischen Wein, der auf dem Weltmarkte
auftritt. Aber doch nicht in sämtlichen Gütern.