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Auch aus diesem Grunde ist daher die Annahme unrichtig, es ließen sich die Güter einer
Volkswirtschaft nach Preisen inventarisieren
1
.
7.
Eine weitere zahlenmäßig gleichfalls nicht lösbare Frage bei der obigen
Abgrenzung des Volksvermögens ist die V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t aller Glieder
des Gesamtinventars zueinander. In gewissem Maße drückt sie sich ja in den jeweils
gegebenen Preisen der Güter aus, die inventarisiert wurden, soferne nämlich ein Zuviel
an gewissen Waren Entwertung herbeiführen kann. Jedoch läßt sich die Grundtatsache,
daß sich das Volksvermögen aus Gütern verschiedener Leistungen so zusammensetzt,
daß das eine vom anderen abhängt, in keiner Rechnung ganz auflösen.
8.
Der Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ setzt sich notgedrungen fort in den einer
jeweils b e s t i m m t e n E i n g e g l i e d e r t h e i t der Volkswirtschaft in die
Weltwirtschaft. Aus dieser Eingegliedertheit leitet sich ja die A n t e i l n a h m e a m
E r t r a g e d e r W e l t w i r t s c h a f t jeweils ab. Wie soll aber die jeweilige
Gliedstellung der Volkswirtschaft in der Weltwirtschaft rechenmäßig erfaßt werden?
— Ferner kommt hier zum Ausdruck, daß die Bewertung des Volksvermögens eine
Frage der Verhältnismäßigkeit im Sinne der „ K o n j u n k t u r “ ist. Nach dem Kriege
werden z. B. Naturschönheiten wegen der gesunkenen Weltkaufkraft weniger
Vermögen bedeuten.
Wie unvollkommen jede Preissummierung der Teile ist, zeigt sich deutlich bei der
A r b e i t s k r a f t . Übervölkerung z. B. kommt wohl auch in niedrigem Lohn und
niedriger Lebenshaltung und damit in niedrigem Kostenwert der Arbeit zum Ausdruck.
Aber doch wird bei einem Land, das mit Millionen übervölkert ist, leicht ein größerer
Betrag an Arbeitskraft-Wert herausgerechnet werden, als der Verwertbarkeit dieser
Arbeitskraft entspricht. Und wie sollen vollends die Verluste eingestellt werden, die ein
Land durch Auswanderung oder erhöhte Sterblichkeit erleidet? Denn ersteres bedeutet
sowohl Verlust an erzeugtem Erziehungskapital wie Änderung der
Alterszusammensetzung im Sinn größerer Unproduktivität / der Bevölkerung.
Andererseits kann aber gerade starke Auswanderung eine Erleichterung im
Bevölkerungsdruck, das ist eine Vermögenserhöhung, bringen.
Trotz all dieser Schwierigkeiten bedeuten solche Fehlerquellen nicht, daß die
Vermögensrechnung ganz und gar wertlos sei. Zwar kann sie von vornherein nur eine
U n t e r s t e l l u n g sein; es sind aber dennoch Schätzungen möglich, die ein
plastisches Bild in manchen wichtigen Punkten geben.
Als Hauptergebnis dieser Überlegung zeigt sich, daß:
1.
s ä m t l i c h e V o 1 k s v e r m ö g e n s s c h ä t z
u n g e n b i s h e r v i e l z u n i e d r i g w a r e n , w e i l d e r W e r t
d e r A r b e i t s k r a f t n i c h t e i n b e z o g e n w u r d e . Da der
durchschnittliche Wert einer Arbeitskraft zweifellos größer ist als ihr
durchschnittlicher Besitz an Sachgütern, waren sie um w e s e n t l i c h m e h r a l s
d i e H ä l f t e z u n i e d r i g .
2.
zeigt sich, daß v i e l z u w e n i g a u f d i e l e b e n d i g e
W a c h s t u m s -
u n d
A n p a s s u n g s f ä h i g k e i t
d e r
V o l k s v e r m ö g e n R ü c k s i c h t g e n o m m e n , daß vom latenten
Volksvermögen überhaupt
1
Vgl. oben S. 106 ff., 108 ff. und 169 ff.