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[212/213]

Verbrauch (der Unterhaltungsmittel für Arbeiter) auf der anderen Seite entzogen.

Da unser heutiges volkswirtschaftliches Denken noch in hohem Grade in

physiokratischer Vorstellung befangen ist, erscheint eine genauere Widerlegung dieser

Gedankengänge nötig.

Der Grundfehler des physiokratischen Denkens ist die stoffliche, technische

Vorstellung vom Wesen der Wirtschaft, vom Wesen der Gütererzeugung. Das zehn- /

fache Korn zu ernten soll Erzeugung sein, das Mahlen des Kornes soll Umformung sein

— statt des einzig maßgebenden Gesichtspunktes: ob ein Fortgang in der Erreichung der

Ziele durch die einander folgenden Leistungen stattfinde.

Sehen wir uns jene technische Denkweise einmal für sich selbst auf ihrem eigenen

Boden an, so finden wir sie voller Widersprüche.

Ein sehr gewichtiger Widerspruch scheint mir zuerst damit gegeben, daß es neben

der stofflichen auch g e i s t i g e U r e r z e u g u n g gibt. Erfinder, Organisatoren,

Unternehmer, Staatsmänner, Künstler, Schriftsteller, Musiker, Zeitungsschreiber sind

solche Urerzeuger, deren Erzeugnisse als E r s t l i n g e in grundsätzlich gleicher Weise

„Motoren“ der wirtschaftlichen Maschinerie sind wie die Ersterzeugnisse der

Landwirtschaft. Das ganze Heer von Verlegern, Buchdruckern, Buchbindern,

Schriftsetzern,

Buchhändlern,

Instrumentenmachern,

Theatergewerben,

Laboratoriumsgewerben und vieles andere nebst allen ihren Hilfsgewerben wird ja nur

von jenen Dichtern, Künstlern, Verfassern, Organisatoren als g e i s t i g e n

U r e r z e u g e r n beschäftigt. Hat doch Aristoteles allein Milliarden solcher

gewerblichen Arbeitsstunden von Schriftsetzern, Buchdruckern, Verlegern und so fort

veranlaßt und in diesem Sinne ihr ganzes Getriebe in Bewegung gesetzt. Er war und ist

der „Motor“ dieses Getriebes! Alle diese Gewerbs- und Handelsleute werden also in

gleichem Sinne von der geistigen Urerzeugung gespeist, wie Gewerbe und Handel von

der Landwirtschaft „ernährt“ werden. Hier gilt das Wort Schillers: „Wenn die Könige

bauen, haben die Kärrner zu tun.“ Das W e s e n d i e s e r g e i s t i g e n

U r e r z e u g u n g i s t , d a ß d i e f r e i e r z e u g t e Z w e c k w e l t

n a c h t r ä g l i c h z u m M i t t e l w i r d , z. B. indem die in interesseloser

Forschung gefundene mathematische Formel nachträglich dem Brückenbau dient

(„Wirtschaft mit Mitteln höheren Stammes“ oder „Nebenwirtschaft“

1

).

Wichtiger ist aber der folgende auch noch auf technischem Boden bleibende

Gesichtspunkt, gegen den heute fast ebensosehr verstoßen wird wie zur Zeit der

Physiokraten. Nicht die Schöpfung von Stoffen und Stoff m e n g e n (z. B. das

zehnfache Korn) ist für den Fruchtbarkeitsbegriff, auch wenn man in jener

technologischen Denkweise befangen bleibt, maßgebend; es kann nur die technische

Qualität, die technische Eignung der Stoffe (wenn es schon solche sein sollen) in Frage

kommen, Ziele zu erreichen. In solcher physikalischen Weise darf man zwar Güter

volkswirtschaftlich überhaupt nicht anschauen. Tut man dies aber dennoch, so

erscheinen die Sachgüter alle nicht als tote Stoffe, vielmehr als N a t u r k r ä f t e .

Dann zeigt sich aber die gewerbliche „Umformung“ von Stoffen gleichfalls als

N e u s c h ö p f u n g , nämlich als Neuschöpfung von

1

Vgl. oben S. 90 ff.