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wirken der Kräfte, nach ihrer

L e i s t u n g i m

Ganzen des Systems, nach

ihrer

F u n

k

t i o

n.“

1

„Daraus ergibt sich auch, daß die eigentlichen echten

s o z i a l wissenschaftlichen Begriffe nur die Funktionsbegriffe sind,

während die Wesensbegriffe psychologischer, biologischer oder

physikalischer Natur sind, also der Psychologie, Biologie usw. angehören,

nicht aber der Sozialwissenschaft. Daraus folgt ferner, daß w e d e r d i e

N a t i o n a l ö k o n o m i e

n o c h

s o n s t

e i n e

s o z i a l w i s s e n s c h a f t l i c h e

D i s z i p l i n

a u f

d i e

P s y c h o l o g i e (oder die Biologie, Mechanik oder irgendwelche andere

Wissenschaften) b a s i e r t w e r d e n k a n n . Hier tritt der

p r i n z i p i e l l e Grund, warum j e d e A r t von Motivationstheorie für

die Grundlegung der Nationalökonomie untauglich ist, zutage.“

2

Sehr fesselnd ist, daß Othmar Spann in dieser seiner Habilitationsschrift

„Wirtschaft und Gesellschaft“ (1907) trotz der Erkenntnis, „daß die

eigentlichen echten sozialwissenschaftlichen Begriffe nur die

Funktionsbegriffe sind“, noch meint, dieser Begriff der Funktion sei „rein

kausaler Natur“

3

. Das hängt mit seinem Bestreben zusammen, die

funktionell betrachtenden Sozialwissenschaften von den richtenden

Zweckwissenschaften, also die funktionelle Betrachtungsweise von der

finalen oder teleologischen abzuheben; ferner mit der Absicht, die

Sozialwissenschaften nicht den geschichtlichen, vielmehr den

nomothetischen Wissenschaften zuzuordnen, was ja aus der Problemlage,

besonders der Weiterführung des Methodenstreites in den Windelband-

Rickertischen

Fassungen

und

Gegenüberstellungen

von

Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften begreiflich erscheint.

Vor allem aber rührt es daher, daß Spann noch nicht alle systematisch-

kategorialen und verfahrensmäßigen Folgerungen aus dieser funktionellen

Betrachtungsweise gezogen hatte, obwohl — wie wir sehen — im Begriff

des Objektivationssystems und im Verhältnis dieses Objektivationssystems

zum sozialen Ganzen, im besonderen im Verhältnis von Wirtschaft und

Gesellschaft schon die fundamentale und später für das Spannsche

Verfahren revolutionäre Beziehung Teil-Ganzheit erkannt und angelegt

war

4

. Liier in der Habilitationsschrift heißt es auch: „.. . es handelt sich eben

immer nur um die B e w i r k u n g (Vollziehung, Durchführung) der

Zwecke, die rein kausal ist, also um das k a u s a l e S y s t e m d e r

M i t t e l , nicht um die Zwecke selber, nicht um die Erörterung der

B e r e c h t i g u n g der Zwecke (wie Stammler meint)

5

.“ Hier sind eben

die Prägungen und begrifflichen Formulierungen noch durch die

Vorgefundene Problemlage der Wissenschaft und durch die

1

Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden 1907, S. 222 f.

2

Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden 1907, S. 224 f.

3

Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden 1907, S. 225, Anmerkung.

4

Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden 1907, S. 1 ff., 6, 8 und öfter.

5

Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden 1907, S. 225, Anmerkung, ähnlich S. 168

und 170 f.