S i e b t e r A b s c h n i t t
Rückblick auf den Individualismus
Die bisherigen Darlegungen haben uns den Gedankengang des
Individualismus vorgeführt. Es gilt nun zuerst, ihn voll auf uns wirken zu
lassen. Man soll jede große Lehre mit innerem Schweigen anhören und ihr
mit Hingabe die guten Seiten abgewinnen. Erst wenn auf solche Weise der
volle Inhalt der Lehre ausgeschöpft ist, mögen sich Mißtrauen, Prüfung
und Widerspruch einstellen.
Läßt man so den Individualismus auf sich wirken, dann ist der erste
Eindruck auf den heutigen Menschen unbestreitbar jener der Größe.
Denn er wirkt als ein logisch gefügtes, lückenloses Netz von Begriffen, die
in ihrer Weise wirklich zu Ende gedacht scheinen. Er hat auch den
Anschein des „gesunden Menschenverstandes“ für sich, das
Handgreifliche nämlich, daß die Gesellschaft zuletzt doch nur aus
Einzelnen bestehe. Denn wo wäre das Ding oder die Person, die selbst
„Gesellschaft“ als solche darstellte? — Er ist sodann der Ausdruck von
Kraft und Selbstbewußtsein, er hat etwas Himmelstürmendes, in ihm
bekundet sich die titanische Seite von Wollen und Streben in der
menschlichen Natur, er hat etwas in sich, das uns unwillkürlich in
Begeisterung versetzt und mitreißt. So gesehen, ist gerade er eine
Bestätigung dafür, daß die wahre Gesellschaftslehre in die Tiefe des
menschlichen Herzens hinabsteigt. Denn der Individualismus ist ein
gewaltiger Versuch, in die menschliche Brust hinabzusteigen und von
dort
das
ureigenste
Selbst
herauszuholen,
sich
als
kraftvoll-unwiderstehlicher und selbstherrlicher Thor-Herakles, als
schöpferischer Prometheus zu erkennen, die Gesellschaft danach
aufzubauen, das Leben danach einzurichten.
Noch ein anderes Großes, das uns die Einzelheitslehre zu zeigen
scheint, liegt in dem Gedanken, der unsere Wesenheit als eigenen
Schöpferwillen erfaßt. Dieser Gedanke gibt uns gleichsam unser Selbst
wieder in eigene Hut, legt unser Schicksal wieder in unsere eigene Hand.
Dies ist das Größte, was die Einzelheitslehre dem