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ber noch lebt. Es ist ein Zusammensinken, ein Nichtig- und
Zunichtewerden der Welt und des eigenen geistigen Lebens, was nun
eintritt.
Im Schicksal von Tristan und Isolde hat die Dichtung dieses
Grundverhältnis, das jeden Menschen im Leben mehr denn einmal
berührt, in vollkommener Klarheit und Folgerichtigkeit gestaltet. Tristan
o p f e r t sich nicht für Isolde, sondern er folgt der Totgeglaubten nach, da
die Welt für ihn wertlos, das Dasein für ihn inhaltlos, der Geist für ihn
leblos und unkräftig, unwirklich geworden ist.
Indem in solcher Lage die W i r k l i c h k e i t a n G e i s t i g e m , die
einem Menschen eigen ist, zerrinnt, zeigt sich, wie das Geistige, das ein
Mensch verkörpert, nicht selbstwüchsig von ihm erzeugt wurde, sondern
wie die B e z u g n a h m e a u f d e n a n d e r e n G e i s t s o w o h l
d u r c h
E r w e c k e n
w i e
E r w e c k t w e r d e n
d a s
w e s e n h a f t - a u f b a u e n d e (kons t i t u t i v e )
E l e m e n t
s e i n e s D a s e i n s b i l d e t .
Um einer solchen Gefahr des inneren Erlöschens zu entrinnen, muß ein
anderes Geistiges, eine andere Bezugnahme auf ein Geistiges für das
verlorene eintreten. Neue Anteilnahme („Interessen“), neue „Aufgaben“,
neue Menschen müssen in unseren Kreis eintreten, um die
entschwundenen zu ersetzen.
Welches Verhältnis mehrerer Personen wir auch immer betrachten
mögen, stets werden wir in gleicher Art die geistige Wechselseitigkeit als
das Schöpferische und Substanzielle finden, niemals aber jene Form
verwirklicht sehen, die der Individualismus dabei sich vorstellt, als ob es
sich um „Austausch von Kenntnissen“, gleichsam um ein Geben und
Nehmen geistiger Mengen (Quantitäten) handelte, bei w e l c h e m d i e
b e i d e n
T e i l n e h m e r
g e i s t i g
v o n e i n a n d e r
g r u n d s ä t z l i c h u n a b h ä n g i g b l i e b e n , s o d a ß d e r
e i n e v o n s e i n e m Ü b e r f l u ß a n K e n n t n i s s e n ,
G e d i c h t e n , M u s i k s t ü c k e n g r u n d s ä t z l i c h a b g e b e n
k ö n n t e , o h n e v o n d e m a n d e r n g e i s t i g k o n s t i t u t i v
a b h ä n g i g , v o n i h m m i t g e b i l d e t z u w e r d e n .
Wir wollen das schon Erkannte noch kurz in einigen anderen
Grundverhältnissen aufzeigen.