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C.
Die V e r d i n g l i c h u n g v o n S t a a t
u n d G e s e l l s c h a f t
und überhaupt: die dinghafte, substanzielle Vorstellung vom We-
sen des Ganzen, aus dem die Gesellschaft bestehen soll. Darum dre-
hen sich die meisten Kämpfe um den Universalismus — und
die meisten Mißverständnisse. Diese Vorstellungsweise beherrscht
eigentlich jede populäre und oberflächliche Auffassung des Univer-
salismus, und ihr vornehmlich entspringt die oben wiederholt er-
wähnte gerade Umkehrung des Individualismus, wonach der Uni-
versalismus einfach das Ganze „ü b e r
“
(statt vor) den Teil stelle,
das Individuum dem Ganzen „a u f o p f e r e“. Hier wird das
Ganze fälschlich als an sich bestehend, als selbständiges, von dem
Einzelnen unabhängiges Ding, als eigene Substanz gefaßt. Nach un-
serem kinetischen Universalismus und dem Satze unserer Katego-
rienlehre „Das Ganze als s o l c h e s hat kein Dasein“ ist jede
Verdinglichung und Erstarrung ausgeschlossen. — Wird die Gesell-
schaft nach Art der Platonischen / Ideen oder der Hegelischen Dia-
lektik gedacht, so liegt die Gefahr der Verdinglichung nahe. Am
augenfälligsten tritt sie in der biologisch-organischen Staats- und
Gesellschaftslehre auf.
D.
Die b i o l o g i s c h - o r g a n i s c h e S t a a t s - u n d
G e s e l l s c h a f t s l e h r e
In demselben Maße, wie diese Lehre mit der Betrachtung der Ge-
sellschaft als Organismus Ernst macht, in demselben Maße verding-
licht, substanziiert sie das gesellschaftliche Ganze. Daß im organi-
schen Staats- und Gesellschaftsbegriff eine universalistisch gerichtete
Auffassung vorliegt, ist nach allem bisherigen selbstverständlich,
aber durch die Materialisierung des Gegenstandes tritt auch not-
wendig eine Mechanisierung ein. Beides ist heute den Vertretern
der organischen Soziologie allerdings nicht klar
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Vgl. oben S. 181 f.