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zu dürfen, was ich ihm sein kann (und damit zugleich mir sein
kann), eine Gerechtigkeit, die man „ h i n g e b e n d e G e r e c h -
t i g k e i t “ nicht mit Unrecht nennen könnte. Die austeilende und
die hingebende Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit vom Ganzen aus
und die vom Einzelnen aus sind grundsätzlich einerlei. Mir wird
das zuteil, was ich im Ganzen bin = dem Ganzen werde ich zuteil,
soweit ich in ihm bin. Beide Gesichtspunkte, der des Ganzen und
der des Teiles, sind also Wechselbegriffe. D a h e r i s t d i e d e m
G l i e d e a n g e m e s s e n e S t e l l u n g i m G a n z e n s o -
w o h l v o m G a n z e n a u s d a s G e r e c h t e , w i e v o m
G l i e d e a u s .
Es ergibt sich daraus, daß die Gerechtigkeit kein individueller,
sondern durchaus ein sozialer Begriff ist, ein Begriff, der nur in
Ganzheit, in Gemeinschaft sinnvoll ist. Zweitens ergibt sich — und
das möchte ich besonders betonen — daß die Gerechtigkeit das gei-
stige Lebenshöchstmaß sowohl des Ganzen wie des Teiles in sich
schließt. Wenn vom Ganzen aus dem Teile die angemessene Stellung
zugeteilt wird, so wird das geistige Lebenshöchstmaß des Ganzen
damit erreicht (ebenso auch damit des Einzelnen); wenn vom Ein-
zelnen aus die ihm selbst angemessene Stellung gesucht wird, so
wird auch da das geistige Lebenshöchstmaß des Einzelnen, wie des
Ganzen, erreicht. Lebenshöchstmaß des Einzelnen und des Ganzen
sind nach universalistischer Auffassung Eines — daher auch die
Gerechtigkeit Lebenshöchstmaß beider zugleich ist; primär aber
ist das Ganze. Wenn in einem Organismus das Herz stärker ausge-
bildet werden sollte, als es seiner Stellung im Ganzen entspricht, so
wäre dieser Organismus krank. Die einseitige Ausbildung des Her-
zens ginge auf Kosten der Gesundheit des Ganzen, somit wieder auf
Kosten des Herzens selbst, das ja im Ganzen leben muß.
Die Gerechtigkeit als Baugesetz eines Ganzen erfordert Ungleich-
heit seiner Bestandteile, gleichwie ein Organismus wie ein Heer, ein
Staat aus Gliedern ungleicher Leistung besteht. Die a u s t e i -
l e n d e / w i e d i e h i n g e b e n d e G e r e c h t i g k e i t h a t
n i c h t G l e i c h h e i t , s o n d e r n U n g l e i c h h e i t z u r
F o l g e . (Diesen Gedankengang werden wir später fortzusetzen
haben
1
).
1
Siehe unten S. 201 ff.