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das Sittliche und Gesellschaftliche wie über alles Geschöpfliche über-
haupt gestellt. Der ä u ß e r e M e n s c h s o l l w i r k e n , a b e r
a u f d e m G r u n d e d e r A b g e s c h i e d e n h e i t .
„Ein G e s c h ä f t treibt man von außen, aber ein S c h a f f e n ist nur da,
wo man, von der Vernunft beschieden, sich betätigt von innen her. Und nur das
sind die Leute, die m i t t e n u n t e r d e n D i n g e n s t e h e n u n d d o c h
n i c h t i n s i e a u f g e h e n . Sie stehen dicht dabei: und halten’s doch nicht
anders, als ob sie dort oben stünden am äußersten Himmelskreis, der Ewigkeit
ganz nahe.
Denn alle Kreaturen mitteln. Mittel ist zwiefältig. Einmal, das u n u m -
g ä n g l i c h e M i t t e l , o h n e d a s i c h n i c h t i n G o t t z u g e l a n g e n
v e r m a g , i s t : m e i n W i r k e n u n d S c h a f f e n i n d e r Z e i t l i c h -
k e i t . . . In einem z w e i t e n Sinne ist uns das Endliche nur Mittel: sofern
wir uns von diesem losmachen müssen. Denn dazu sind wir in die Zeit gesetzt,
damit wir durch unser vernunftgeleitetes Schaffen innerhalb der Endlichkeit uns
G o t t a n n ä h e r n , immer gottähnlicher werden.“
1
„ . . . Der Mensch soll all seine Werke verrichten aus der O r d n u n g
d e s G o t t e s r e i c h s . Ihr könnt sicher sein: handelt einer so, daß seine Werke
ihn geringer zu machen vermögen, so handelt er nicht aus der Ordnung des
Gottesreichs! Darum, wenn unsere Werke zustande kommen nach Menschen-
weise, so fällt gar bald Unkraut und Unfriede unter sie; wirkt der Mensch sie
aber im G o t t e s r e i c h , so bleibt er im Frieden in allen seinen Werken.“
2
So setzt Abgeschiedenheit das wirkliche Leben und damit Ge-
zweiung, sogar eine bestimmte Auffassung des Gesellschaftlichen
und Sittlichen voraus! Das S i t t l i c h e w i r d b e i E c k e -
h a r t w e d e r v e r w o r f e n , n o c h d i e G e s e l l s c h a f t
v e r n e i n t . Denn was in dieser Welt und Gesellschaft schaltet, ist
die Minne, die Vermischung mit den Dingen, von denen Meister
Eckehart sagt: „Mein innerer Mensch schmeckt sie nicht als Kreatu-
ren, sondern als Gabe Gottes.“
3
D.
Die P h i l o s o p h i e d e r i n d i s c h e n
U p a n i s c h a d e n
ist keine einheitliche, sondern in ihr sind folgende Standpunkte
zu unterscheiden:
1.
Der Brahmanismus;
1
Meister Eckehart, Ausgabe Pfeiffer, Kapitel Nr IX, S. 49.
2
Meister Eckeharts Schriften und Predigten, übersetzt und herausgegeben
von Hermann Büttner, 2 Bde, Jena 1909—1912, Bd 2, Jena 1909, Stück 12, S. 210 f.
3
Meister Eckehart, Ausgabe Pfeiffer, Kapitel Nr LVI, S. 180, Zeile 31 f.