Z w e i t e r A b s c h n i t t
Handeln und Macht
Der Begriff des Handelns wäre nicht vollendet, wenn wir nicht
erkennten, daß jedes Handeln unmittelbar das Vermögen, die
M a c h t der Ausführung in sich schließt. Unvermögendes, ohn-
mächtiges Handeln wäre ein nichthandelndes Handeln und ein
Widerspruch in sich. (Dasselbe gilt vom Willen.) Macht kommt dar-
um dem Handeln begriffsmäßig zu, wie wir schon in einem frühe-
ren Zusammenhange erwogen, aber hier nochmals für sich betrach-
ten müssen
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. Sie kommt ihm nicht nachträglich und von außen
angeflogen, wird nachträglich hinzugefügt, sondern liegt in seinem
Wesen.
Daraus folgt für die Gesellschaftslehre: daß allen Gebilden des
Handelns, insbesondere aber jeder Veranstaltung, z. B. dem Staate,
der Kirche, Macht wesensgemäß innewohnt. Allerdings ist es immer
arteigene Macht, die jedem Handeln und seinen Gebilden zukommt.
Macht gehört zum Aussprechen des Wortes, um Schallwellen zu er-
zeugen, die Zunge in Bewegung zu setzen; die Macht gehört zur
Arbeit mit Werkzeugen, die gehandhabt werden sollen (Mittel be-
schaffendes Handeln, Wirtschaft); Macht gehört dazu, das Handeln
anderer zu veranlassen und zu bestimmen (organisierendes Han-
deln). Im H a n d e l n l i e g t , d a ß d i e W e l t d e r S i n n -
l i c h k e i t b e w e g t w e r d e u n d d a ß a n d e r e s H a n -
d e l n h e r v o r g e r u f e n , b e w e g t w e r d e — art- / eigene
Machtaufwendungen, ohne die das Handeln nicht möglich ist!
Darum kommt arteigene Macht zum Staate, arteigene Macht zur
Familie, zur Wirtschaft, zu dem Ausdrucke in Wort und Kunst nicht
nachträglich und äußerlich hinzu, wie Staatstheorien und Wirt-
schaftstheorien vermeinen; sondern ist ein konstitutiver Bestand-
teil ihres Wesens. Einbuße an arteigener Macht ist bei allen Ge-
bilden des Handelns Einbuße an Wesen selbst.
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Siehe oben S. 293.