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der Hand. Aber auch bei Achilleus ist sie bis in alle Einzelheiten
gefordert. So sagt uns zum Beispiel der Schild des Achilleus, wie
er in der Ilias
1
beschrieben wird, daß der Held die höchsten Grade
der Einweihung und die mit ihr verbundenen Kräfte erlangte. Denn
das Bild des Himmels dort mit Sonne, Mond und Sternen, das Bild
der Erde mit den / Szenen der Hochzeit, des Krieges, des Anbaues,
der Ernte und der Opferung des Stiers (welcher das vitale Leben,
die Zeugungskraft bedeutet), das Bild der Löwen (welche die Herr-
schaft über die Lebenskräfte bedeuten), endlich das des Okeanos,
welcher das Ganze umrahmt — alle diese Darstellungen sagen uns,
daß sein Träger Kräfte der Weltbeherrschung besitze, daß er den
Inbegriff der Welt magisch-mystisch in Besitz nahm. Daher ihm
auch der Schild zugleich als Talisman dient. — Die Szene zwischen
Odysseus und der Kirke, welche seine Gefährten in Schweine zu
verwandeln vermag, ihn aber nicht, spricht schon allein für sich von
der magisch-mystischen Kraft des Helden. — Die Kämpfer des in
Urzeiten zurückweisenden, chinesischen Romans „Die Metamor-
phose der Götter“ sind sämtlich gewaltige Magier
2
.
Es ist über allen Zweifel erhaben, daß die großen Helden der
alten Zeit eine mystisch-magische Ausbildung erhielten. Die „Ber-
serker“ der Germanen zum Beispiel waren Eingeweihte solcher
Mysterien. Paulus Diakonus erzählt in der Langobardenchronik von
Herulern, die nackt kämpften, das heißt durch mystisch-magische
Schulung für unverwundbar galten.
Das gilt auch von eigentlichen Mystikern, die keine Krieger
waren (in Indien Yogin genannt), sich aber doch auch dem tätigen
Leben zuwandten. Herakles und Siegfried sind ebenso sehr mystisch-
magische Gestalten wie Helden
3
.
3.
Andere Beispiele mittelbarer Auswirkungen magischer
Anschauungen
Die Auswirkungen magischer Weltanschauung erschöpfen sich
nicht mit den genannten Erscheinungen. Sie durchdringen vielmehr
1
Homer: Ilias, XVIII, S. 478 ff.
2
Die Metamorphose der Götter, deutsch von Edmund Weber, Leiden 1913
3
Uber die göttliche Abstammung der Heroen, welche ihre höheren Kräfte
versinnbildlicht siehe unten S. 193 ff. und 238 ff.