Previous Page  184 / 473 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 184 / 473 Next Page
Page Background

184

[164/165]

Molitor aus den Quellen der Kabbala

1

. Es braucht nicht auseinander-

gesetzt zu werden, daß dies auch aus anderen Quellen als den

kabbalistischen folge und daß ein solcher Ahnendienst, welcher die

E i n h e i t d e r S i p p e in innigstem Grade bedingt, mit eine

Voraussetzung für die (auch / den Germanen eigene) Blutrache ist.

— Eng hängt damit zusammen das B l u t t r i n k e n , so vor allem

beim Schließen von B l u t b r u d e r s c h a f t .

Je nachdem zwischen dem Übernatürlichen und Natürlichen Über-

einstimmung oder Nichtübereinstimmung besteht, werden sich Ge-

bote ergeben, welche auf die Erhaltung der Übereinstimmungen

(Entsprechungen) abzielen. Daher werden in der Kabbala alle

„widernatürlichen“ Verbindungen verboten, so das Zusammenspan-

nen heterogener Tiere, das zu nahe B e i s a m m e n s e i n e i n -

a n d e r w i d e r s t r e i t e n d e r P f l a n z e n und die Vermi-

schung, das heißt das Ineinanderweben von Leinen und Wolle in

den Kleidern

2

. Leinen soll „die allerhöchste Milde des Wassers“,

Wolle dagegen „die allerhöchste Strenge des Feuers“ bezeichnen

3

.

Aus derartigen, mit der religiös-magischen Weltauffassung und

Entsprechungslehre zusammenhängenden Gründen entstehen die

vielen bei alten Völkern und Naturvölkern uns so unbegreiflich

anmutenden S o n d e r b a r k e i t e n u n d W u n d e r l i c h -

k e i t e n i n i h r e n S i t t e n , von denen uns unter anderen

Plutarch

4

bei den Ägyptern so anschaulich berichtet. Oder hören wir

zum Beispiel, daß die Priester in Dodona „nicht die Füße waschen

durften und auf der bloßen Erde schlafen mußten“, so hatte das

sicher einen magisch-religiösen Grund, wahrscheinlich „um mit der

mantischen Erde in stetem Kontakt zu bleiben", wie Theodor

Hopfner annimmt

5

. „Denn daß das Orakel ursprünglich ein chtho-

nisches war, läßt noch der Brauch der Orakelgewinnung aus dem

1

Franz Joseph Molitor: Philosophie der Geschichte oder über die Tradition,

Teil 3, Münster 1839, S. 345.

2

Franz Joseph Molitor: Philosophie der Geschichte oder über die Tradition,

Teil 3, Münster 1839, S. 351 ff.

3

Franz Joseph Molitor: Philosophie der Geschichte oder über die Tradition,

Teil 3, Münster 1839, S. 356.

4

Plutarch: Über Isis und Osiris.

5

Theodor Hopfner: Artikel Askese, in Supplementband VII von Paulys Real-

enzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Stuttgart 1894, S. 50.