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niederen Standpunkte nicht schlechthin, sondern nimmt sie in bedingter Weise
in sich auf. Selbst den niedersten, den empiristischen Standpunkt, läßt er als
jenen der Sinnlichkeit und der Oberfläche an seinem Orte gelten. Nichts wird
völlig verdammt, es verteilen sich Licht und Schatten, auch die Irrtümer sind
noch als Bruchstücke der Wahrheit zu erkennen“ (Bd 13, 399).
II. Die Wiederherstellung des Idealismus
Groß ist für Spann diejenige philosophische Tradition, in welcher
der Idealismus bestimmend ist. Unter Idealismus aber wird die Ent-
faltung der platonischen Gründung verstanden, worauf noch näher
einzugehen ist. Der „Philosophenspiegel“ zeigt uns, wohin eine zu
geringe Versenkung oder ein Abgehen von der Eingebungsgrundlage
führen. Wenn die Philosophie vom gesollten Wege abgekommen ist,
dann ist zunächst einmal der Irrtum aufzuklären. Groß sind darum
auch die Meister, die den Irrtum nachgewiesen und die Philosophie
wieder auf den rechten Weg zurückgeführt haben. Die größten unter
ihnen sind Sokrates, der Überwinder der Sophistik, und Immanuel
Kant, der Überwinder des empiristischen Irrweges.
„Sokrates findet im Kampfe gegen die Sophisten den Allgemein-
begriff als überempirisch gültig, gegründet auf ein Allgemeines an
sich. — Sein Weg ist das Zurückgehen des Selbstbewußtseins in sich
selbst“ (Bd 13, 322).
„Kant schlug die große Durchbruchsschlacht, die geradezu eine
Kulturwende des Abendlandes einleitete, indem er dem Empirismus,
der Philosophie der Plattheit, den Idealismus, eine Philosophie der
sittlichen und verständigen Selbstgewißheit, entgegensetzte, das
Apriori wieder eroberte und bewies, daß ohne dasselbe weder Erken-
nen noch Wollen möglich sind. Kants titanische Tat war, um es mit
einem Worte zu sagen, seiner Zeit wieder einen Weg zu den für die
innere Freudigkeit unentbehrlichen Wahrheiten, den metaphysischen
Wahrheiten von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu zeigen. — Ein
solcher Kampf ist weniger zeitgebunden als es scheint. Kant focht
nicht nur einen Kampf gegen Locke, Hume und die Aufklärung aus,
sondern gegen einen Feind, der nie stirbt“ (Bd 13, 115).
Die großen Erkenntnistheoretiker also sind es, die den Weg für
einen neuen Aufschwung freimachen, ja den Aufschwung einleiten.