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Frage angebracht, ob die „Gesellschaftslehre“, die das erste Mal
unmittelbar vor dem Ersten Weltkriege und das dritte Mal in der
Zeit der großen Weltwirtschaftskrise erschien, überhaupt noch
zeitgemäß sei.
Können die Spannschen Behauptungen von „der Notwendigkeit
einer nichtempiristischen Begründung der Gesellschaftslehre“ nach
dem seither vergangenen halben Jahrhundert der Tatsachen- und
der Wissenschaftsgeschichte, können sie angesichts der heute fast
allein herrschenden empiristisch-realistischen Behandlung der ein-
zelnen Gebiete der Gesellschaftslehre noch aufrechterhalten werden?
Viele der heute herrschenden Richtungen und der heute besonders
modernen Verfasser werden diese Fragen rückhaltlos verneinen.
Demgegenüber sei als Hinweis gestattet, daß die alten Grund-
fragen der Gesellschaftslehre auch in der heutigen „Explosion der
Sozialwissenschaften“ noch mit drängender, geradezu dringlicher
Jugendlichkeit behaftet scheinen; als da sind: Gemeinschaft und
Gesellschaft, Kultur und Zivilisation (besonders Technik), empiri-
stische oder transzendente Ausrichtung der Gesellschaftslehre (mit
Einschluß der Gegenüberstellung von Sein und Sollen), Freiheit
und Herrschaft, Abgrenzung gegenüber der Psychologie, Feldsozio-
logie, Fragebogentechnik und Statistik (mit Einschluß mathema-
tischer Verfahren), Qualität und Quantität (Kleinheit der Gemein-
schaften und Masse).
Wer könnte sagen, sie seien gelöst und daher veraltet? Die ganz-
heitliche Gesellschaftslehre gibt auf diese Fragen Antworten, die
angesichts der trotz zunehmender Wissenschaftlichkeit unserer Tage
wachsenden Ratlosigkeit immer von neuem zu prüfen, die Aufgabe
auch der Zukunft bleiben wird.
Bereits im Vorworte zur ersten Auflage der „Gesellschaftslehre“
(1914) sagt Spann hiezu bleibend Gültiges: „Die reine Begriffsarbeit
auf der einen Seite, die systematische Anknüpfung an die Philoso-
phie auf der andern — das muß jetzt in den Vordergrund treten.
Aber auch wenn einmal ein weitschichtiger, beschreibend-empirischer
Unterbau der Gesellschaftslehre vorhanden sein wird, wird beides
immer an erster Stelle bleiben müssen. Denn Beschreibung ist ohne Be-
griffe nicht möglich und die Urbegriffe der Gesellschaft,... nicht ohne
Philosophie. Also doch die Philosophie der erste Urgrund“ (Bd 4, 8).