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normative Wissenschaft? (Denn das Verhältnis des Gliedes zum Ganzen
ist ein normiertes, ein normatives.)
Diese
Frage
eingehend
zu
behandeln,
würde
weite
Voruntersuchungen erfordern, da die gegenwärtige Logik dafür wenig
zu bieten hat, indem sie fast nur eine Logik der naturwissenschaftlichen
Forschung ist. Wir müssen uns daher mit folgendem kurzen Überblick
begnügen
1
.
Ich möchte drei Hauptgruppen von ganzheitlichen, normativen oder
Zweckwissenschaften im weitesten Sinne unterscheiden:
1.
die zweckerzeugenden, von der Art der spekulativen Metaphysik;
2.
die zweckrichtenden und -erklärenden, von der Art der
auslegenden Rechtswissenschaft;
3.
die Wissenschaft von den Gültigkeitszusammenhängen der
Vorzwecke (Mittel, Leistungen), von der Art der theoretischen
Volkswirtschaftslehre.
1.
Die zweckerzeugenden Wissenschaften, jene, die schöpferisch
bestimmen, was Zweck sein s o l l , die den Inhalt des Sollens der
Geltungen begründen. Dies geschieht durch die spekulative Philosophie
oder Metaphysik; ferner durch die Theologie (theologische Metaphysik),
sofern das, was sein soll, als durch Gott gesetzt und geoffenbart
angenommen wird. „Gott ist der höchste Wert“, „Entwicklung ist der
höchste Wert“, „Glückseligkeit ist der höchste Wert“ — diese und
ähnliche Schöpfung der Werte geschieht in Überlegungen, deren
Inbegriff wir „Weltanschauung“, „Lebensauffassung“ nennen.
Es handelt sich auch bei der logischen Struktur der zweckerzeugenden
Wissenschaften nicht eigentlich um den Wert und Wertinhalt selbst, sondern um die
Tatsache, daß Werte nur als „System“ im Sinne eines G a n z e n a u s G l i e d e r n
gefaßt werden können, nur im Ganzen des Systems gelten. Die Werte stehen
untereinander in einem Gliedlichkeitsverhältnis; der Begriff der Gültigkeit der Werte ist
noch allgemeiner bestimmbar — als Verhältnis Ganzes : Glied überhaupt: In diesem
Verhältnis erst wird „Gültigkeit“ zu „Rang“. Es ist nicht möglich, diesen Gedanken hier
weiter auszuführen
1
.
2.
Die zweckrichtenden und zweckerklärenden, in einem engeren
Sinne so benannten normativen Wissenschaften. Diesen sind die Werte
und ihre Gültigkeiten jeweils gegeben, das heißt, sie / sind
1
Weiteres siehe in meiner Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939.