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werbliche Erscheinungen, sondern bei Thünen: der g a n z e

K o s m o s des Landbaues und der Landbausysteme und deren

Verbindung mit ihrem Markte; bei List: nicht einzelne Betriebe,

Gewerbskapitale und Elemente, sondern der g a n z e K o s m o s aller

Gewerbezweige mit ihren Produktivkräften, das heißt mit den sie selbst

erzeugenden höheren Kollektivkräften der Wirtschaft (Recht,

Verwaltung, Bildung und andere öffentliche Zustände, welche hinter

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Der Geist dieser Untersuchung Thünens ist durch und durch organisch. Nicht ein

einzelner Robinson, nicht ein einzelner Betrieb, nicht der einzelne landwirtschaftliche

Erzeuger, der für sich allein dasteht, nicht ein einzelnes Betriebssystem, nicht ein

einzelner Standort ist der Untersuchungsgegenstand, sondern alles erscheint von

Anbeginn im Zusammenhang mit allem. So wird nicht eine atomistische Schar von

Erzeugern und Tauschern vorgeführt, sondern die landwirtschaftliche Tätigkeit

erscheint als geschlossener Kosmos aller einzelnen Landbauarten, als eine vollkommene

Welt des Gesamtbodenbaues und doch dabei in strengster Abstraktion, strenger,

beschränkter Bezogenheit auf Markt und Preis, die aber hier die Eingegliedertheit des

abstrakten Objektes in die gesamte nationale Güterhervorbringung bedeuten. Dieses

Verfahren ist durch eine tiefe Kluft von Ricardo getrennt: hier individualistische, dort

universalistische Abstraktion, hier Armut, Dürre und Konstruktion, dort Fülle und

lebendigste Realität.

Weniger bekannt sind die anderen Leistungen Thünens. Da ist zunächst der

Zusammenhang zwischen Gewerbe und Landwirtschaft, zwischen „Gewerbsprofit und

Landrente“, den er ähnlich bestimmt wie List. („Die Frage, ob die Anlegung oder das

Eingehen einer Fabrik den Nationalreichtum vermehrt oder vermindert, wird also

keineswegs durch das einfache Rechenexempel, ob diese Fabrik die Waren wohlfeiler

oder etwas teurer als das Ausland liefern könne, entschieden, sondern fordert zu seiner

Lösung die . . . Erwägung des Einflusses, den die Gegenwart dieser Fabrik auf die Kultur

des Bodens, Kapitalgewinn, Arbeitslohn und Betrag der Abgaben ausübt.“ [Thünen: Der

isolierte Staat, 2. Aufl., 2. Teil, 2. Abteilung, Rostock 1863, aus dem Nachlaß

herausgegeben von Schumacher, S. 97.] Diese Darlegung zeigt deutlich, wie sehr Thünen

den Zusammenhang zwischen gewerblicher und landwirtschaftlicher Arbeit als einen

organischen im Ganzen der Volkswirtschaft erkannt hat.) Da ist vor allem seine

berühmte Formel ap, welche, obschon sie mathematisch selber anfechtbar ist,

grundsätzlich über Ricardo hinausgeht, da sie festlegt, wie der Arbeiter bei vermehrter

Produktivität der Wirtschaft an seinemMehrerzeugnis teilnehmen könnte — eine Frage,

deren Sinn man bei der Lohnbemessung in sozialisierten Betrieben beachten sollte und

die vielleicht bestimmt ist, heute wieder eine gewisse Auferstehung zu feiern und der

Menschheit Dienste zu leisten.

Ebenso wie bei Thünen steht es bei List. Auch hier finden wir zwar keine bewußte

Theorie der organischen, universalistischen Wirtschaftsauffassung (im Gegenteil, eine

Menge individualistischer Gesichtspunkte), aber wir finden die tatsächlich

antiindividualistische, die positiv universalistisch gerichtete Forschungsweise und

Blickrichtung.