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Es ist die faktische E i n h e i t u n d U n g e t e i l t h e i t u n -
s e r e r p e r s ö n l i c h e n s o z i a l e n E r f a h r u n g , die in
einen erkenntnistheoretischen G e g e n s a t z zu den Abstraktio-
nen von sozialen Teilsystemen und Teiltheorien, mit denen wir in
unseren ursprünglichen Problemen zu tun haben, tritt. Die empiri-
schen Erscheinungen der menschlichen Gemeinschaft, z. B. ein
Kaufakt, treten uns als etwas völlig Ungeteiltes entgegen: Die
wirtschaftliche Seite, die rechtliche Seite, die moralische Seite —
das sind lauter A b s t r a k t i o n e n , in Wirklichkeit gibt es nur
ungeteilte Ganze aller dieser Abstraktionen oder Teilinhalte, näm-
lich Handlungen, die von diesen oder jenen verschiedenartigen Vor-
aussetzungen mehr oder weniger gemischt oder einheitlich getragen
sind. So e r s c h e i n t a l s o d i e W i r k l i c h k e i t a l s e i n
G a n z e s v o n T e i l e n , und die einzelnen Objekte der sozia-
len Einzelwissenschaften sind nichts anderes als abstrakte Teilinhalte
(Objektivationssysteme) eines e i n h e i t l i c h e n E r f a h r u n g s -
g a n z e n . Die sozialen Einzelwissenschaften behandeln die mittels
Abstraktion isolierten Teilsysteme eines G e s a m t s y s t e m s ge-
sellschaftlicher Inhalte. Wo ein Teil ist, ist aber notwendig auch ein
Ganzes. So macht sich also der e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e
Gesichtspunkt geltend, aus dem sich das Problem des Gesellschafts-
begriffes ergibt: Die Annahme wissenschaftlicher Erfaßbarkeit der
Teile (— und die Richtigkeit dieser Annahme ist durch die tat-
sächliche Existenz selbständiger sozialer Einzelwissenschaften ge-
sichert —) schließt die Annahme prinzipiell selbständiger Erfaßbar-
keit des Ganzen als solchen notwendig in sich; sofern nur die Eigen-
schaft jener „Teile“ T e i l e zu sein (und damit die Annahme eines
Ganzen als solchen), bestehen bleibt. Erkenntnistheoretisch gesehen
ist es also einfach das Problem vom Teile und dem Ganzen, das hier
vorliegt: Und hiermit bestimmt sich auch die Problematisierung des
sozialen Ganzen, die Frage nach der Gesellschaft als solcher und nach
ihrem allgemeinen Begriffe näher: es handelt sich um die selbstän-
dige Beschreibbarkeit des Gesellschaftlichen als solchen.
Dies ist die allgemeinste bestimmte Formulierung des Problems
des Gesellschaftsbegriffes, und dieses selbst stellt sich gleichzeitig als
das s e l b s t ä n d i g e P r o b l e m e i n e r s e l b s t ä n d i g e n
D i s z i p l i n , d e r G e s e l l s c h a f t s l e h r e
o d e r S o z i o -
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