166
langt die prinzipielle Gliederung der durch den formalen Gesell-
schaftsbegriff bezeichneten mannigfaltigen Erscheinungsformen nach
inneren Zusammenhängen (Objektivationssystemen), das heißt den
eigentlichen speziellen Ausbau einer Theorie der Gesellschaft. Man
kann den formalen Gesellschaftsbegriff am besten als die Definition
des Sozialen, die das allgemeinste, einheitliche Kriterium aller Dif-
ferenzierungen oder Erscheinungsformen enthält, bezeichnen, den
materialen Gesellschaftsbegriff als die Theorie der formellen und
funktionellen Differenzierung der gesellschaftlichen Erscheinungen.
II. Die beiden Auffassungsarten des Problems
Dieses so bestimmte Problem des Gesellschaftsbegriffes kann von
vornherein in grundsätzlich zweifacher Weise erfaßt und zu lösen
gesucht werden. Entweder so, daß das Eigenartige des Sozialen in
einer e i g e n a r t i g e n B e s c h a f f e n h e i t d e r k a u s a l e n
Z u s a m m e n h ä n g e , die in den gesellschaftlichen Erscheinungen
gegeben sind, gesucht wird, oder so, daß jene Eigenart in dem be-
s o n d e r e n V e r h a l t e n u n s e r e r E r k e n n t n i s (z. B.
teleologische statt kausale Erkenntnis), anders ausgedrückt in der
Darbietung eines b e s o n d e r e n E r k e n n t n i s z i e l e s seitens
der sozialen Wirklichkeit gesucht wird. Für die erstere Auffassung
handelt es sich darum, das Soziale z. B. von dem Psychologischen
durch ein materiales Kriterium abzusondern, ähnlich wie das Orga-
nische dem Anorganischen gegenübersteht. Man gelangte zumeist
dazu, die „ W e c h s e l w i r k u n g zwischen psychischen Einhei-
ten“ als dieses materiale Kriterium, welches das Soziale als solches
bezeichnet und vom Psychologischen, Organischen und Physikalisch-
Chemischen abtrennt, zu betrachten. Diese Auffassung läßt sich als
r e a l i s t i s c h e , e m p i r i s t i s c h e oder p s y c h o l o g i s t i -
s c h e charakterisieren. Die andere Auffassung ist als e r k e n n t -
n i s t h e o r e t i s c h e zu charakterisieren, denn sie sucht die
Eigenart des Sozialen und der Sozialwissenschaft zu bestimmen, in-
dem sie auf die erkenntnistheoretische, nicht auf die material-kausale
Sonderstellung ausgeht. Ihr unterscheidet sich die gesellschaftswissen-
schaftliche Betrachtung als eine l o g i s c h von der psychologischen,
organischen und überhaupt naturwissenschaftlichen Betrachtung