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einen e i n h e i t l i c h e n erfassend, als die äußere Regelung
(Zwecksetzung) — die ja das Soziale als solches erst konstituiert —
zugleich die Erkenntnisbedingung sozialer Erscheinungen ist. Die
Regelungen werden nach Verhältnissen von Mittel und Zwecken
untersucht, und so wird alles soziale Geschehen in e i n e r (formal-
teleologischen) Gesetzmäßigkeit begriffen. Die äußere Regel ist die
l o g i s c h e Bedingung (das heißt E r k e n n t n i s bedingung) der
sozialen Betrachtung, in diesem Sinne ist sie die F o r m des gesell-
schaftlichen Geschehens.
2
. S t a m m l e r s S y s t e m i m E i n z e l a u f b a u e
a .
Grundgedanken unserer Kritik
Nachdem uns so der erkenntnistheoretische Charakter der Stamm-
lerschen Definition des Sozialen: „Soziales Leben ist äußerlich gere-
geltes Zusammenleben und Zusammenwirken von Menschen“
1
klar
ist, wenden wir uns der Analyse dieser selber und ihrer methodolo-
gischen Durchführung zu. Unter „äußerlicher Regelung“ ist die Ver-
bindung der Menschen durch A u f s t e l l u n g e i n e s g e m e i n -
s a m e n Z w e c k e s zu verstehen, das heißt jene von Menschen
herrührende Normierung des Verhaltens der Zusammenlebenden,
welche von der Triebfeder des Einzelnen, sie zu befolgen, ihrem
Sinne nach unabhängig ist
2
. Sie umfaßt das Recht und jede Art von
Konvention (Sitte, Mode usw.)
3
; die Moral wird ausgeschlossen.
Aus der Begriffsbestimmung des Sozialen ergibt sich zunächst, daß
die Sozialwissenschaft die „Wissenschaft vom äußerlich geregelten
Zusammenleben der Menschen“ ist. Hierin liegen zwei Bestim-
mungsstücke: ä u ß e r l i c h e R e g e l u n g des Zusammenwirkens
1
Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Ge-
schichtsauffassung, Eine sozialphilosophische Untersuchung, Leipzig 1896, S. 90
und öfter. — Das Genossenschaftsleben der Tiere wird durch diese Definition von
vornherein ausgeschlossen.
2
Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht, a. a. O., S. 91 und 105.
3
Der Unterschied zwischen Recht und Konvention besteht bloß im Geltungs-
anspruche. Das Recht will seinem formalen Sinne nach als Z w a n g s regel, das
heißt unabhängig von der Anerkennung einzelner Gemeinschaftsglieder gelten,
die Konvention hingegen erhebt nur hypothetischen (bedingungsweisen) Gel-
tungsanspruch. — Vgl. Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht, a. a. O., S. 132,
492 ff. und öfter; Die Lehre von dem richtigen Rechte, Berlin 1902, S. 234 ff.