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und äußerlich geregeltes Z u s a m m e n w i r k e n der Menschen.
Stammler bezeichnet die erstere als F o r m , welche die Aufstellung
gemeinsamer Aufgaben, die R i c h t u n g der Tätigkeit erst be-
stimmt, das letztere als M a t e r i e . Also ist „Form“ des sozialen
Lebens die äußerliche Regelung (Recht und Konvention), „Materie“
des sozialen Lebens oder Wirtschaft „das auf Bedürfnisbefriedigung
gerichtete menschliche Zusammenwirken“. Stammler will diese Un-
terscheidung nicht so verstanden wissen, als ob Form und Inhalt
s e l b s t ä n d i g e Elemente wären, die ein empirisch getrenntes,
voneinander unabhängiges Dasein führen und daher aufeinander
e i n w i r k e n können. Vielmehr sind sie ihm nur „ g e d a n k -
l i c h e Elemente“ eines und desselben Gegenstandes, eben des so-
zialen Lebens, die bloß in der Abstraktion unterschieden werden
können. Das Verhältnis von Form und Stoff (Regel und Geregeltem)
wird demgemäß von Stammler auch nicht als ein solches von (kau-
saler) Bedingung und Bedingtem, sondern als ein bloß l o g i s c h e s ,
nämlich von (Erkenntnis-) Bedingung und Bestimmbarem be-
stimmt
1
. Die Sozialwissenschaft scheidet sich daher in zwei Haupt-
teile: einmal ist sie die Wissenschaft von der F o r m d e s s o -
z i a l e n L e b e n s , das andere Mal die Wissenschaft von dem
auf B e d ü r f n i s b e f r i e d i g u n g g e r i c h t e t e n Z u s a m -
m e n l e b e n u n d Z u s a m m e n w i r k e n d e r M e n s c h e n .
Die erstere ist ihm wesentlich theoretische Rechtswissenschaft, die
letztere Sozialwirtschaftslehre.
Auf die Prüfung der Verhältnisbestimmung der beiden Defini-
tions-Elemente Form und Stoff (wie Stammler statt „Inhalt“ lieber
gesetzt wissen möchte, um den Schein der Analogie mit dem r ä u m -
l i c h e n Formbegriffe zu vermeiden) kommt alles an. Was wir dies-
bezüglich Stammler entgegenzuhalten haben und im Laufe der nach-
folgenden Untersuchung zu beweisen versuchen werden, ist:
1. In der Begriffsbestimmung „Soziales Leben ist äußerlich geregel-
tes Zusammenleben von Menschen“ erscheinen die beiden Begriffs-
elemente der R e g e l u n g und des (Zusammen-) W i r k e n s nur
schlechthin voneinander unterschieden — etwa als zwei Eigenschaf-
ten eines und desselben Dinges, des sozialen Lebens. Diese Unter-
1
Vgl. Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht, a. a. O., S. 229 ff.; Die Lehre
vom richtigen Rechte, a. a. O., S. 216 f., 230 und öfter.