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l o g i s c h e r Natur. — Ein direkter, positiver Beweis wird also
nicht erbracht.
An dieser Stelle müßte ein v o l l s t ä n d i g e r Gegenbeweis
u n s e r e r s e i t s der sein: die soziale Kausalerkenntnis existiert
als selbständige theoretische Wissenschaft neben anderen theoreti-
schen Wissenschaften (nomothetische oder „Naturwissenschaften im
weiteren Sinne); denn sie ist gerichtet auf ein seiner eigenartigen
kausalen Beschaffenheit nach als selbständig zu charakterisierendes
Objekt; innerhalb des Gesamtsystems gesellschaftlicher Tatsachen
bestehen Teilsysteme von relativer Selbständigkeit und relativ selb-
ständiger (kausaler) Gesetzmäßigkeit (wodurch speziell die Selbstän-
digkeit kausaler Sozial-Einzelwissenschaften bedingt ist); der Gegen-
stand der Sozialwissenschaft sind allerdings wesentlich Werttatsachen
und Zwecksetzungen, aber die Zusammenordnung derselben nach
ihren Verhältnissen von Mittel und Zweck kann nichts anderes sein,
als ein h e u r i s t i s c h e s H i l f s p r i n z i p , e i n f o r m a l e s
H i l f s v e r f a h r e n , zur Auffindung der kausalen Zusammen-
hänge der M i t t e l ; denn es handelt sich in der Sozialwissenschaft
nur immer um die kausale Wirksamkeit der Mittel für Zwecke nicht
um die Zwecke selbst.
Dieser Beweis kann an dieser Stelle nun allerdings nicht vollstän-
dig geführt werden, aber es erscheint in seinem Lichte der nachfol-
gende Teilbeweis in seiner richtigen Bedeutung. Nämlich Stammler
schließt: „Sobald von bestimmter äußerer Regelung abgesehen wird,
bleibt für äußeres Verhalten von Menschen gegeneinander nichts als
bloße naturwissenschaftliche Erwägung.“
1
Das heißt zunächst: sobald
nicht die sozialen Tatsachen in teleologischer Betrachtung erfaßt
werden, bleibt nur eine Summe von einzelnen naturwissenschaft-
lichen (z. B. psychologischen, technologischen usw.) Erkenntnissen
jener Tatsachen; sodann auch: bewiesen wird dies dadurch, daß ein
Zusammenleben von Menschen nicht mehr den Charakter eines
„sozialen“ (gemäß unserer natürlichen Vorstellung davon) hat, das
heißt u n m ö g l i c h ist ohne äußere Regelung (ohne gemeinsame
Zwecksetzung).
Der erstere Satz ist, wie ersichtlich, durch sich selbst noch nicht
erwiesen; soweit er aber durch den zweiten Satz bewiesen werden
1
Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht, a. a. O., S. 585.