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vollzogen gedacht werden (was allerdings bei C o m t e strittig

bleibt).

S p e n c e r untersucht systematisch, wodurch soziale Aggregate,

organische und unorganische, sich voneinander unterscheiden

1

. Ge-

sellschaft ist ihm ein Aggregat, das nach demselben allgemeinen

Grundsatze aufgebaut ist wie ein Organismus. Sie ist ihm überall da

gegeben, wo d a u e r n d e Beziehungen zwischen Individuen ge-

geben sind. Es ist also die Wechselwirkung psychischer Einheiten,

die das Gesellschaftliche konstituiert

2

.

Nach S c h ä f f l e ist Gesellschaft ein g e i s t i g v o l l z o g e -

n e r L e b e n s z u s a m m e n h a n g (also kein Organismus). „Den

sozialen Zusammenhang der menschlichen Individuen bewirken hö-

here Akte des Vorstellens, Fühlens und Wollens, welche mittels be-

wußter Kunsthandlungen (technisch) eine allgemeine Wechselwir-

kung ... der Individuen vollziehen.“ Was an der Gesellschaft als

sozial sich darstellt, ist ihm „weder ein physikalisch-chemischer, noch

ein biologischer Zusammenhang“, vielmehr ist es nur die psychische

Wechselbeziehung zwischen Individuen, welche die völlig eigen-

artige Signatur des sozialen Körpers ausmacht

3

.

Bei S c h ä f f l e finden wir also den realistischen Gesellschafts-

begriff zuerst in klarer Gestalt und Formulierung.

Nach T ö n n i e s liegt das Wesen des Gesellschaftlichen in einem

V e r b u n d e n s e i n der I n d i v i d u e n d u r c h d i e W i l -

l e n s b e z i e h u n g e n . Die „menschlichen W i l l e n stehen in

1

Vgl. Herbert Spencer: Die Prinzipien der Soziologie, deutsch von Benja-

min Vetter, Bd 2, Stuttgart 1877, §§ 212 bis 223; Einleitung in das Studium

der Soziologie, nach der 2. Aufl. des Originals herausgegeben von Heinrich

Marquardsen, Bd 1, Leipzig 1875, Kapitel III.

2

Somit ein rein psychologistischer Gesellschaftsbegriff. Soweit aber S p e n c e r

einen eigentlichen o r g a n i s c h e n Gesellschaftsbegriff nach dem Satze kon-

struiert, daß die Beschaffenheit der Elemente sich in den Beschaffenheiten des

Aggregates wiederhole, mag es strittig sein, wie weit er hieher gehört.

3

Albert Schäffle: Bau und Leben des sozialen Körpers, Bd 1,

2

. Aufl., Tü-

bingen 1896, S. 1. — Den Nachweis, daß Schäffle kein echter „Organiker“ ist,

in meinem Aufsatz: Albert Schäffle als Soziologe, in: Zeitschrift für die gesamte

Staatswissenschaft, Bd 60, Tübingen 1904, S. 220 ff.