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Was Iherings Gesellschaftsbegriff selbst anbelangt, so ist zunächst

wieder festzuhalten, daß Ihering selbst eine Durchführung desselben

im Sinne einer methodologischen Grundlegung der Sozialwissen-

schaft nicht gegeben hat. Soweit das teilweise ja geschehen ist, oder

weiter auf der Hand liegt, gelten grundsätzlich gleiche sachliche

Argumente wie gegen Stammler. Wir wollen uns daher auf die

Hervorhebung des folgenden Gesichtspunktes, der vielleicht in der

vorstehenden Kritik Stammlers nicht genugsam zur Geltung kam,

jedenfalls aber Ihering gegenüber besonders angebracht erscheint,

beschränken.

Durch die Bezeichnung des Gesellschaftlichen als V e r b i n -

d u n g (Zusammenordnung) der Menschen durch ihre gemeinsamen

Zwecke wird ein zweifacher Fehler begangen.

Einmal bleibt unbewiesen, ob und warum nicht das Individuum

als s o l c h e s in seiner (hypothetisch isoliert gedachten) Lebens-

tätigkeit prinzipiell gleichartige Tatsachen hervorbringt wie die, die

mit der Verbindung durch gemeinsame Zwecke als „sozial“ be-

zeichnet werden. Solche Tatsachen sind durch diesen Sozialbegriff

grundsätzlich nicht bezeichnet. Sie dürfen aber jedenfalls nicht

schlankweg aus dem Gebiete des Sozialen verwiesen werden. Die

Tatsachen, die beispielsweise das Thünensche Gesetz beschreibt,

werden natürlich als soziale aufzufassen sein. Trotzdem gilt, wie wir

schon einmal hervorhoben, dieses Gesetz prinzipiell (wenn auch

gewissermaßen nur keimlich) auch für die Lebenstätigkeit eines

Robinson. Noch deutlicher gilt dies für das Gesetz des abnehmen-

den Bodenertrages und die meisten Sätze der Werttheorie

1

.

hältnisse der W e c h s e l w i r k u n g zueinander stehen, ist bei Stammler das

Verhältnis von Form und Inhalt kein kausales Abhängigkeitsverhältnis selb-

ständiger Größen mehr. Alle Wechselwirkung, alle Kausation will damit aus der

Sozialwissenschaft ausgeschaltet sein. Das Verhältnis von Form und Inhalt ist nur

ein solches von logischer Bedingung der Bestimmung (nicht von Bedingung und

Bedingtem), womit die rein teleologische Beschreibung gegeben ist.

1

Der sozialwissenschaftliche Charakter dieser wird allerdings öfters bestrit-

ten, z. B. von F r a n z E u l e n b u r g : Uber die Möglichkeit und die Auf-

gaben einer Sozialpsychologie, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Ver-

waltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jg 24, Leipzig 1900, S. 211. —

D a g e g e n möchte ich hier nur auf die strenge innere Einheit von Preistheorie

und „subjektiver Werttheorie“ verweisen. Die erstere ist aber doch wohl un-

zweifelhaft sozialwissenschaftlichen Charakters, also muß es auch die letztere

sein, wenn sie wirklich ein Ganzes bilden.