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G l e i c h a r t i g e s ( H o m o g e n e s ) , s o n d e r n n u r a b -

g e s t i m m t U n - / g l e i c h e s ( H e t e r o g e n e s ) b a u t

e i n e n O r g a n i s m u s a u f . Darum: Wenn die erste Wirklich-

keit im Ganzen liegt, vernichtet sie die Einzigartigkeit des Einzel-

nen nicht, im Gegenteil, sie fordert sie wesensnotwendig.

An das letzte Geheimnis der Individualität rührt die Gesellschafts-

lehre nicht. Ihr ist zur Erklärung der Gesellschaft nur die „Bezie-

hung“ der Individuen maßgebend, nämlich die Frage: Welcher Art

ist diese „Beziehung“? Ist es die „Beziehung“ von selbstgenugsamen

Geistigkeiten, wonach die Gesellschaft nur durch Zusammensetzung

der in sich fertigen Einzelnen bestünde? Oder gibt es eine solche

nachträgliche „Beziehung“ gar nicht, sondern nur: Gegenseitigkeit,

die das Erste, Auferweckende, daher auch die ursprüngliche Wirk-

lichkeit ist, die der Persönlichkeit, um mit Schelling zu sprechen, erst

G r u n d m a c h t , erst Dasein, Aktualisierung ermöglicht? Mit der

Bejahung der letzteren Frage ist die Persönlichkeit und Individuali-

tät nicht verneint, vielmehr erst begründet und die Darlebensweise

des Ichs (als der schöpferischen Individualität) auf eine bestimmte

Grundlage, die Gezweiung, gestellt.

Die Einzelheitslehre will aber dem Einzelnen, als der ursprüng-

lichen Wirklichkeit, doch eine ganz andere Bewegungsfreiheit, Selbst-

bestimmungskraft einräumen, als es im obigen geschah. Das darf

hier nicht verschwiegen werden, und es scheint auch etwas in uns

dafür zu sprechen. Das ist der Umstand, daß sich jeder Einzelne

„selbständig“ der Gesamtheit gegenüberstehen fühlt. Es kann, so

scheint es, jeder werden, was er will, sich fast jeder Gemeinschaft

anschließen, die ihm richtig scheint. Auf politischem Gebiete z. B.

hindert uns nichts, wenn wir etwa den Linksparteien angehören,

uns den Rechtsparteien anzuschließen; auf sittlichem Gebiete kann

der Mensch sich dem Verbrechertum oder der Heiligkeit zuwenden.

Diese Freiheit, unsere Meinungen, Grundsätze und Entschlüsse zu

wechseln, besticht am meisten zugunsten des Individualismus. Wie

ist es aber universalistisch zu erklären, daß der Einzelne sich so

„selbständig“ fühlt? Der Schlüssel dazu liegt in der oben beschrie-

benen Grundtatsache: daß der Einzelne zwar nur Fähigkeit (nicht

selbst Wirklichkeit) sei, daß er aber Fähigkeit zu sehr Verschiede-

nem, Fähigkeit in einem weiten Umkreise sei, und je nach der Auf-

erweckung in Gezweiung zu verschiedener Verwirklichung (des