Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2218 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2218 / 9133 Next Page
Page Background

56

[37/38]

Ganzen o p f e r e , er vernichtet den Einzelnen. Diese Ansicht be-

ruht auf völligem Unverständnis; / besonders der Begriff des

„Opfers“ ist hier völlig schief und beruht auf einer falsch gestellten

Frage und darauf, daß das individualistische Gehirn in diesem

Falle aus seinem eigenen Irrtum nicht herauskommt. Der Indivi-

dualismus geht vom autarken, in sich beschlossenen Individuum

aus, das Vorteil gegen Vorteil abwägt und fragt, was ihm mehr

nütze, welches O p f e r an Nutzen es bringen soll, um anderen

Nutzen dafür einzutauschen. Dort aber, wo der Einzelne nur in

und durch Gemeinschaft ist, kann er nicht der Gemeinschaft, dem

Ganzen, etwas „opfern“, vielmehr: Wo die Gemeinschaft angegrif-

fen ist, steht er selbst auf dem Spiele. Er „opfert“ sich nicht für das

Ganze, sondern setzt sich für sich selbst ein, da er als Glied der

Ganzheit selbst bedroht ist. Wenn einem Kranken der Arm ab-

genommen wird, hat es einen Sinn, zu sagen, der Arm opfere sich

dem Ganzen, um dieses zu erhalten? Wenn die Gemeinschaft durch

und durch sittliche Substanz ist, dann kann der Einzelne wohl als

Glied des Ganzen bedroht sein und muß dafür eintreten, aber nicht

weil „das Interesse des Ganzen“ dem des Einzelnen „vorgezogen“

würde, sondern weil er selber als Glied des Ganzen mit diesem zu-

gleich steht und fällt.

§ 13. Die politischen Grundsätze des Universalismus

im Vergleich zum Individualismus betrachtet

I. Die Gerechtigkeit

Wird die Gerechtigkeit beiseite geschoben,

was sind dann die Staaten anderes als große

Räuberbanden?

Augustinus: Vom Gottesstaat IV, 4.

A. Der u n i v e r s a l i s t i s c h e B e g r i f f d e r

G e r e c h t i g k e i t

Wie der tragende politische Grundbegriff der Einzelheitslehre die

Freiheit ist, so jener der Ganzheitslehre die Gerechtigkeit. Wer von

dem selbstherrlichen Einzelnen ausgeht, muß dessen unbehindertes

Werden, die Freiheit, als oberstes Erfordernis betrachten; wer vom