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keit verlieren, wenn er Niemand Hätte, dem er davon berichten

könnte“

1

. Ohne Gemeinschaft, so lehrt auch dieses Beispiel, erfolgt

weder die Geburt eines Geistigen in uns, noch die Behauptung sei-

nes Bestandes. Irgendeine Anteilnahme, und sei / es die vermitteltste,

muß in uns als Mithilfe dabei sein, sonst kann nichts Geistiges in uns

erzeugt werden. G e g e n a b s o l u t e T e i l n a h m e l o s i g -

k e i t k a n n d e r m e n s c h l i c h e G e i s t u n m ö g l i c h

a u f k o m m e n. Dieses ist es schließlich auch, was das Sprichwort

ausdrückt: „Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“

Gegen „Dummheit“, Nichtsein einer anderen Geistigkeit, ist nichts

auszurichten —denn auch wir sind in demselben Maße nicht! Gegen

absolute Teilnahmelosigkeit ankämpfen, hieße ohne Wind segeln

oder im luftleeren Raume fliegen. So unbewußt oft das Dasein des

Gezweiten für uns ist, so unentbehrlich, so völlig unerläßlich ist es

dennoch für alles, was in uns Leben, Bestand und Bewegung heißt.

Wir suchten bei der Darstellung des Individualismus nach einigen

S t i c h w o r t e n und Grundtypen, die uns sein Wesen möglichst

greifbar und eindrucksvoll vorführen sollten. Versuchen wir nun,

auch für das universalistische, auf Ganzheit gehende Denken solche

Stichworte und Grundformen aufzufinden.

Die Gestalt des Prometheus mit seinem Trotz gegen Gott und

die Welt war uns ein Beispiel individualistischen Denkens. Dieser

Gestalt stellen wir universalistisch eine andere entgegen, den Eros,

der mit seinem Anteros zugleich lebt und stirbt. Eros und Anteros,

Liebe und Gegenliebe können nur miteinander wachsen und ge-

deihen oder untergehen, Geist und Gegengeist, Gedanke und Er-

widerung, Gefühl und Widerhall — immer zwei Dinge, die mit-

einander leben und sterben, nicht aber ein Geistiges, das sich in sei-

ner Eigenkraft als Selbstvollendetes begründet und sich dann sogar

dem Zeus entgegenstellt.

In Herakles sahen wir (individualistisch gefaßt) die Kraft, die, aus

sich selbst schöpfend, alle Hemmnisse überwindet und das Schicksal

selbst besiegen will. Dem kann die Ganzheitslehre das Dornröschen

gegenüberstellen, das Dornröschen, das noch schläft und durch den

Kuß des jungen Ritters plötzlich erwacht. So ein Dornröschen ist

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Angeführt bei Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 1, 2. Aufl.,

Braunschweig 1907, S. 305.