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heit, als schöpferischer Zwang, der die künftige, geistige Gemein-

schaft vorbereitet.

Hieraus folgt weiter für die universalistische Denkweise: Die

Freiheit ist gar kein erster, ursprünglicher Begriff des Gemein-

schaftslebens, noch des Lebens überhaupt. Denn Freiheit kann ja

erst an dem wahrhaft Ursprünglichen (Primären), an der Frucht-

barkeit der Wechselseitigkeit, an der Tatsächlichkeit geistiger Ge-

meinschaft wirklich werden! Freiheit ist überhaupt nur dann ein

sinnvoller Begriff, wenn die Ungestörtheit nicht des eigenen Für-

sichseins, sondern gegenseitiger Geistigkeit (und eine andere gibt es

nicht) ein Höchstmaß von bildender Kraft gewährleistet. In der Er-

ziehung z. B. handelt es sich nicht um eine äußere Freiheit, sondern

um die Ausbildung der gewollten Geistigkeit. Weder um die Form

„Freiheit“ noch um die Form „Zwang“ kann es sich hier handeln,

sondern nur um die Frage, w o f ü r und mit welchem E r f o l g e

ein Zwang geübt wird. Alles läuft immer nur auf die Frage hinaus:

Wie soll ich es machen, daß das Höchstmaß wertvoller Gemein-

schaftlichkeit erreicht werde? Soweit dazu Zwang erfordert wird, ist

er fruchtbar und daher gerechtfertigt. Von wo aus die Untersuchung

auch angepackt werde, immer zeigt sich — was für die wahre gesell-

schaftswissenschaftliche Einsicht grundlegend ist — daß die gesell-

schaftliche Freiheit nicht ein erster Grundbegriff, sondern nur ein

abgeleiteter und zu rechtfertigender Begriff sein kann. Diese Recht-

fertigung muß die Freiheit erst suchen, sie findet sie an der Urtat-

sache der Gemeinschaft, deren Höchstmaß sie dienen muß.

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Eine letzte wichtige Frage ist der sittliche Gehalt der sozialen

Freiheit. Der individualistischen Denkweise ist die Freiheit im

Grunde etwas Formelles, sittlich Neutrales. Der Individualist muß

folgerichtig sagen: „Um mich hat sich niemand zu kümmern, ich

bestimme mich selbst, daher hat, was ich tue und lasse, nur mich

zum Richter, nur sofern ich in der Beschränkung des anderen das

vereinbarte und vorgeschriebene Mindestmaß, das Recht, über-

schreite, hat sich ein anderer um mich zu kümmern.“ Der Gebrauch

der Freiheit wird so dem sozialsittlichen Urteile entzogen, weil es

jedem überlassen bleibt, was er mit seiner Freiheit anfange! Anders

die universalistische Auffassung. Ihr ist Freiheit etwas durch und

durch Sittliches. Freiheit muß sittlich gerechtfertigt werden, weil sie

von dem Leben der Gemeinschaft abgeleitet ist.