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rohe Knechtung der Menschen durch den Stärkeren den sittlichen

Begriffen allezeit widersprochen hat. Eine solche Welt wäre die

Hölle. Die letzten Jahrhunderte, die den Individualismus begründet

haben, haben daher eine andere Form versucht, das Naturrecht.

Dieses will, wie wir wissen, durch g l e i c h e Verzichte auf die

Rechte der Individuen gleiche staatsbürgerliche Verpflichtungen

schaffen und so um so sicherer die Freiheit aller übrigen Bereiche

bewahren. Die Gleichheit ist die Grundsäule des Staatsbaues, / den

das Naturrecht aufführt. Das Naturrecht ist deutlich durch das

Nicht-Auskommen des Individualismus mit seinen eigenen Begriffen

gekennzeichnet. Es ist durch das Hinzukommen eines universalisti-

schen Elementes, wie es zum Teil in dem Mischbegriff „Gleichheit“

enthalten ist, zu einem rechten Kunterbunt geworden. Wie man

diese Überlegung auch dreht und wendet, es bleibt der Satz be-

stehen: die folgerichtigen Konstruktionen des Individualismus sind

unmöglich, die annehmbaren Konstruktionen sind nicht folgerichtig.

III.

Philosophischer Ausblick

Individualismus und Universalismus enthalten nicht selbst schon

eine bestimmte Weltanschauung, aber sie bilden wohl ganz be-

stimmte Voraussetzungen für philosophische Schlüsse, drängen in

eine ganz bestimmte philosophische Richtung. Obwohl wir diese

Frage später noch ausführlicher behandeln, müssen wir uns hier we-

nigstens im allgemeinen darüber klar werden.

Wohin führt der Individualismus in der Weltanschauung? Aus-

schlaggebend dafür ist, daß der Individualismus keine Anknüpfung

des Individuums an die geistige Welt der anderen kennt. Der andere

Geist ist daher für den Individualismus notwendig etwas Irrationa-

les, auch etwas Wesenloses, da er nur Werkzeug des eigenen Triebes

oder der eigenen Launen ist (statt daß er eine wesenhafte Mitbedin-

gung des eigenen Selbstes wäre und daher so gut wie dieses mein

Selbst ausmachte). Eine grundlegende philosophische Folgerung ist

nun diese: Wie der andere Geist für mich nicht wesenhaft ist, so auch

die ganze Welt, denn auch mit der kosmischen Welt kann das abso-

lute Individuum eine wesenhafte Verknüpfung nicht anerkennen

(Prometheus!). Alles Überindividuelle muß ja folgerichtig abgelehnt

werden. Das wirkt auch auf die höchste Form des Überindividuellen,

auf die Gottheit zurück. In demselben Maße, in dem mit der Selbst-