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bindungen sucht und eingeht; allein dem Schicksal, Zeus, der kosmi-

schen Macht gegenüber ist ein Aufbäumen, eine Absonderung, ein

sich davon Entfernen unmöglich. Nur wenn der Einzelne als Ent-

wurzelter sich in der Welt fühlen und behaupten könnte, nur wenn

er der Gottheit gegenüber die Autarkie wirklich aufbrächte, die hier

gespielt wird, wenn er den Trotz wirklich aufrecht erhalten und sein

reines Selbst begründen könnte, dann wäre der Individualismus

möglich. Aber ist das menschlich? Ist es selbst nur übermenschlich?

Wer alles bedenkt, muß sagen: Es ist unmenschlich, es ist unge-

schöpflich, weil nichts auf sich Zurückgezogenes leben noch sein

kann! Der Universalismus darf gewiß nicht über die Kraft und

Eigenheit des Einzelnen hinwegschreiten, aber das Vorbild des Pro-

metheus ist unannehmbar. Was Prometheus will, ist, man kann es

im Grunde nicht anders bezeichnen, knabenhaft. Ähnlich aber die

anderen Grundbegriffe, welche in irgendeiner Richtung die eigene

Kraft des Einzelnen bis zur Autarkie fälschlich übersteigern. Es ist

wie immer beim Individualismus: der I n d i v i d u a l i s m u s

s c h m e i c h e l t d e m E i n z e l n e n , a b e r e r l ä ß t i h n

v e r a r m e n .

Ist die Selbstgenugsamkeit eine Täuschung, so tritt uns auf der

anderen Seite überall, sobald wir die Erfahrung selber befragen, als

analytische Grundtatsache entgegen: daß es nicht die eigene Kraft

ist, sondern die Anknüpfung an den anderen Geist, die sich in jedem

wesenhaften Grundverhältnis der Menschen darstellt. Stets ist ein

fremder Geist der Pflug, der unsern Acker aufreißt, unsere Scholle

lockert. Dieses stellt sich überall dem Forscher als das wahrhaft Wirk-

liche dar. Die soziale Daseinsform ist die einzige Lebensform des

Geistigen. Geistiges ist nur durch wesenhafte Verbundenheit mit

Geistigem.

II. Innere Schwierigkeiten des Individualismus

Die Einzelheitslehre ist auch aus Gründen innerer Schwierigkeiten

unhaltbar. Ihre folgerichtigen Konstruktionen sind praktisch un-

möglich, nämlich als Anarchismus und Machiavellismus, ihre prak-

tisch (zum Teile) möglichen sind schon nicht mehr folgerichtig, näm-

lich das Naturrecht. Ein Leben in Anarchie ist undurchführbar, die

machiavellistische Lebensform grundsätzlich unannehmbar, weil