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Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt können wir über die P r o -
b l e m a t i s a t i o n , die sich bei Knies findet, sagen: Knies ist
zwar zu einer klaren S t e l l u n g des Problems vom Verhältnis
des Wirtschaftlichen zum Sozialen gelangt, aber seine Lösung be-
stand, ausgehend von einer unverbrüchlichen „Einheit“ des Indivi-
duums, darin, sowohl die Zerlegung des Individuums in „Triebe“,
wie die abstrakte Isolierung begrifflich selbständiger Teilinhalte des
Gesellschaftlichen überhaupt, für prinzipiell unzulässig und inner-
lich fehlerhaft zu erklären; somit gelangte Knies mit dieser Lösung
eigentlich zu einer Verneinung und Ungiltigkeitserklärung dessel-
ben Problems, von dem er doch selbst ausging. Dieser Widerspruch
ist nicht nur ein formaler. Er wird materiell darin offenbar, daß sich
ja auch Kniesens historische Betrachtung des Volkswirtschaftlichen
auf irgend eine, wenn auch nicht so weit gehende und so rein „ab-
strakte“ I s o l i e r u n g des Volkswirtschaftlichen vom Politischen,
Staatlichen, Rechtlichen usw. gründen muß. Mag immerhin das
Volkswirtschaftliche nur in seiner empirischen Gestalt, in geschicht-
lich-gesellschaftlichem Zusammenhange ins Auge gefaßt werden,
prinzipiell kann dies doch nur geschehen, indem z. B. zwei empirisch
miteinander erscheinende wirtschaftliche und politische Elemente
durch A b s t r a k t i o n als solche auseinander gehalten werden,
so daß das Politische als das Komplizierende, das Wirtschaftliche
aber als das Beeinflußte, Komplizierte erfaßt wird (und nicht etwa
umgekehrt, so daß das Politische daraufhin zu betrachten wäre, wie
es durch das Wirtschaftliche mit bedingt würde — ein Gesichts-
punkt, der etwa der Staatswissenschaft zukäme); — andernfalls, das
heißt ohne diese fortwährende Abstraktion, müßte sich ja die Be-
trachtung der empirischen, historisch-gesellschaftlichen Zusammen-
hänge zu einer a l l g e m e i n e n gesellschaftlichen (soziologischen)
Betrachtung erweitern, eine Konsequenz, die Knies selbst mehrfach
ablehnt.
Dies ist übrigens festzuhalten und gilt für jede bisherige Begrün-
dung der historischen Methode, daß die Aufhebung der abstrakten
Isolierung des Wirtschaftlichen von dem übrigen Gesellschaftlichen,
die Erweiterung der Volkswirtschaftslehre zur allgemeinen Gesell-
schaftslehre zur Folge haben muß — eine Konsequenz, die übrigens