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welche ihrer Zeit und Rasse... entsprachen. Freilich konnte unter

der Einwirkung der entwickelten volkswirtschaftlichen Interessen das

ganze Triebleben und die ganze Moral... sich ändern. Aber immer

blieben diese veränderten psychischen Elemente Teile des einheit-

lichen Volksgeistes ... Die Volkswirtschaft ist so ein Teilinhalt des

gesellschaftlichen Lebens.“

1

Schmoller hebt hier also, ähnlich wie K n i e s , hervor, wie das

ganze ungeteilte Individuum in die wirtschaftlichen Handlungen ein-

gehe. Dennoch ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden

vorhanden (der gleiche wie zwischen Roscher und Knies). Denn

während Knies die prinzipielle Unmöglichkeit und innere Fehler-

haftigkeit einer Zerlegung des Individuums betont, hält Schmoller

diese Zerlegung und Isolierung für p r i n z i p i e l l m ö g l i c h ,

nur findet er eben an derjenigen Isolierung und Abstraktion, welche

für die klassische Schule die Grundlage bildete, kein Genügen

2

. Er

will das ganze empirische Individuum als Grundlage der Volkswirt-

schaft erkennen

3

. Schmoller will, um die ganze empirische Volkswirt-

schaft zum Gegenstande der Forschung zu machen, es aufgeben, das

Objekt der Forschung von einem einzigen Punkte aus zu erkennen;

vielmehr bedarf es einer verbesserten, die g a n z e Wirklichkeit um-

fassenden Grundlage

4

. D i e s e G r u n d l a g e s u c h t e r i n

e i n e r

M o t i v a t i o n s t h e o r i e . „Volkswirtschaftliche Er-

scheinungen beschreiben heißt, die Motive der betreffenden Hand-

1

Gustav Schmoller: Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Teil 1,

4.—6. Aufl., Leipzig 1901, S. 5.

2

Zum Beweis noch folgende Äußerung Schmollers. Auf S. 110 des „Grund-

riß“ (Aufl. 1901) führt er aus: die Vertreter der historischen Richtung „behaupt-

ten, daß. . . Carl Menger und Dietzel das G e b i e t u n s e r e r W i s s e n -

s c h a f t a l l z u s e h r e i n e n g e n , wenn sie nur Deduktionen aus einem oder

ein paar psychologischen Sätzen ... als theoretische Nationalökonomie anerken-

nen“. (Im Original nicht gesperrt; vgl. auch die nächste Anmerkung.)

3

„Wir müssen auch zugeben, daß unser . .. Erwerbsleben mit dem Eigennutz

in einer innigeren Verbindung steht, als etwa unser Staats- und Kirchenleben. Es

wird sich also, um das Wahre zu finden, darum handeln, einfach noch einen Schritt

weiter zurückzugehen, . .. sich nicht mit zwei Abstraktionen, Erwerbstrieb und

Gemeinsinn, zu begnügen, sondern. .. psychologisch und historisch zu unter-

suchen, was die Triebfedern des wirtschaftlichen Handelns überhaupt seien.. .“

(Gustav Schmoller: Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Teil 1,

4.-—6. Aufl., Leipzig 1901, S. 33).

4

Vgl. Gustav Schmoller: Zur Literaturgeschichte der Staats- und Sozialwis-

senschaften, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im

Deutschen Reich, Jg 12, Leipzig 1888, S. 282.